REHADAT Wissen Ausgabe 17
Obenauf statt Down

Wie sich die berufliche Teilhabe von Menschen mit Down-Syndrom gestalten lässt
(Erscheinungsjahr: 2025)

Vorwort

Die meisten Menschen wissen aus eigener Erfahrung, wie wichtig Arbeit für die Lebensqualität ist. Arbeit zu haben, hat deutlich positive Auswirkungen auf Selbstbestimmung, Selbstbewusstsein, Einkommen und gesellschaftliche Teilhabe. Wenn Krankheit, Unfall oder Behinderungen zu einer dauerhaften Einschränkung führen, kann die Teilhabe am Arbeitsleben gefährdet sein.

Gut informierte Unternehmen können durch die Schaffung passender Rahmenbedingungen Beschäftigte stärkenorientiert einsetzen und qualifizierte Fachkräfte halten oder neu einstellen. Eine Behinderung oder chronische Erkrankung im Arbeitsleben und erfolgreiche berufliche Teilhabe schließen sich nicht gegenseitig aus.

Die Reihe REHADAT-Wissen gibt praxisnahe Tipps und konkrete Handlungsempfehlungen zum Umgang mit einzelnen Behinderungen und chronischen Erkrankungen im Berufsleben. Dazu gehört sowohl Basiswissen zu Behinderungen und chronischen Erkrankungen als auch die Darstellung von Lösungen für die individuelle Arbeitsgestaltung in Unternehmen.

REHADAT-Wissen richtet sich an alle im Unternehmen Beteiligten und legt den Fokus auf schnelle verständliche Orientierung und engen Praxisbezug.

Wir hoffen, dass unsere Hinweise nützlich sind und dabei unterstützen, einen inklusiven Arbeitsalltag zu gestalten.

Ihre
Andrea Kurtenacker
Projektleiterin REHADAT

Ihr
Christoph Beyer
Vorsitzender der BIH

Zusammenfassung

  1. Die Broschüre „Obenauf statt Down″ ist eine umfassende Publikation, die sich auf das Down-Syndrom und deren Auswirkungen im Arbeitskontext konzentriert. Sie beschreibt verschiedene Symptome und Einschränkungen, die mit dem Down-Syndrom einhergehen, darunter Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion, Verhaltensmuster und kognitive Verarbeitungsprobleme, die zu Herausforderungen im Berufsleben führen können.
  2. Der Leitfaden richtet sich an Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, Arbeitsmedizinerinnen und Arbeitsmediziner, von dem Down-Syndrom betroffene Personen sowie deren Vorgesetzte und Kolleginnen und Kollegen. Er bietet praktische Unterstützung, um die Beschäftigung und Integration von Personen mit Down-Syndrom zu erleichtern, und hebt spezielle Überlegungen hervor, die im Umgang mit dieser Behinderung am Arbeitsplatz erforderlich sind.
  3. Eine REHADAT-Befragung unter von dem Down-Syndrom betroffenen Personen erforschte die wesentlichen Aspekte ihrer Arbeitsrealität. Die Ergebnisse beleuchten die vielfältigen Herausforderungen, mit denen Menschen mit Down-Syndrom im Berufsleben konfrontiert sind, und bieten Einblicke in Möglichkeiten, die Arbeitsumgebung entsprechend ihren Bedürfnissen anzupassen.
  4. Zusätzlich stellt die Broschüre praktische Lösungen und unterstützende Maßnahmen für die Arbeitsorganisation vor, um die berufliche Teilhabe von Personen mit Down-Syndrom zu verbessern. Dazu gehören Anpassungen des Arbeitsplatzes, flexible Arbeitszeiten, technische Hilfsmittel und individuelle Unterstützung. Training in sozialen Fähigkeiten oder spezielle Kommunikationshilfen können hierbei von Vorteil sein.
  5. Die Broschüre enthält zudem Interviews mit Aussagen von Expertinnen und Experten. Diese bieten wertvolle Einblicke in den Arbeitsalltag von Menschen mit Down-Syndrom und zeigen Wege auf, wie der berufliche Wiedereinstieg und eine nachhaltige Teilhabe am Arbeitsleben für diese Personengruppe erfolgreich umgesetzt werden können.

1 Ich mag die Zahl 21
Einführung

Inklusion ist mehr als ein gesellschaftliches Ideal – sie ist ein Menschenrecht. Menschen mit Down-Syndrom gehören selbstverständlich zu unserer vielfältigen Gesellschaft. Doch obwohl viele von ihnen über wertvolle Fähigkeiten, Motivation und soziale Kompetenzen verfügen, stoßen sie im Arbeitsleben noch immer auf zahlreiche Barrieren.

Weltweit leben schätzungsweise etwa 5 Millionen Menschen mit Down-Syndrom. Diese Zahl basiert auf statistischen Hochrechnungen, da nicht in allen Ländern genaue Erhebungen vorliegen (IC).

Insgesamt herrscht bei der Betrachtung von Menschen mit Down-Syndrom und Beruf immer noch ein großes Informationsdefizit, vor allem, was die Besonderheiten des Kommunikations- und Sozialverhaltens betrifft. In der Folge stoßen Betroffene in der Arbeitswelt oft auf Unverständnis und sind überdurchschnittlich häufig von Arbeitslosigkeit bedroht oder unterhalb ihrer eigenen Möglichkeiten in einer WfbM beschäftigt. Dabei zeigen Erfahrungen, dass sie sich unter entsprechenden Bedingungen in vielen Berufsbereichen bewähren und erfolgreich ihre spezifischen Stärken einbringen können. Wichtige Faktoren für ein gelingendes Miteinander sind die Aufklärung am Arbeitsplatz zum Down-Syndrom und eine Sensibilisierung von Führungskräften, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

In dieser Broschüre möchten wir Ihnen einige Tipps und Hilfen zum Umgang mit dem Down-Syndrom im Arbeitsalltag geben. Sie erfahren, wie sich das Down-Syndrom auswirken kann, und erhalten Anregungen für unterstützende Maßnahmen und praktische Lösungen zur Arbeitsorganisation und Arbeitsgestaltung für Beschäftigte mit dem Down-Syndrom.

*Alle in der Broschüre verwendeten Literaturquellen sind durchnummeriert. Zur besseren Lesbarkeit der Fließtexte geben wir hier nur die Nummern der Quellen in eckigen Klammern (zum Beispiel [1]) an. Im Literaturverzeichnis finden Sie die Quellen aufsteigend nummeriert mit bibliografischen Angaben aufgeführt. In grafisch hervorgehobenen Textpassagen nennen wir zusätzlich zu den Nummern der Quellen Autorinnen und Autoren beziehungsweise Herausgeberinnen und Herausgeber sowie die Titel der Veröffentlichungen [2].

2.1 Was ist Down-Syndrom?

Unter Down-Syndrom (Q90.-; ICD-10-GM, Version 2023) werden verschiedene, charakteristische Merkmalssymptome zusammengefasst, die aufgrund von einer genetisch bedingten Chromosomenanomalie am Chromosom 21 auftreten. Das betroffene Chromosom 21 kommt dabei i.d.R. dreimal vor, sodass die Körperzellen insgesamt 47 anstatt der üblichen 46 Chromosomen enthalten. Nach der Internationalen statistischen Klassifikation für Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10-GM, Version 2023) können vier Formen des Down-Syndroms unterschieden werden, die sich auf die genetische Entstehung und Art der Anomalie am 21. Chromosom beziehen (DocCheck Flexikon, 2024). Daher wird Down-Syndrom auch als Trisomie 21 bezeichnet. 

Das Syndrom äußert sich in einer veränderten Gesichtsform sowie in Herzfehlern, dem vermehrten Auftreten von Atemwegsinfektionen und einer verzögerten geistigen wie körperlichen Entwicklung. Da das Down-Syndrom genetisch bedingt ist, gibt es dafür keine Heilung. Jedoch können einige Symptome, die durch das Syndrom verursacht werden, therapiert werden. Obwohl es mit einer verkürzten Lebenserwartung einher geht, erreichen Betroffene in der Regel ein mittleres bis hohes Alter (Campbell & Reece, 2009; Powell-Hamilton, 2023).

Gilt Down-Syndrom als Behinderung?

Je nach Art der genetischen Veränderung weisen Menschen mit Down-Syndrom eine breite Spanne an körperlichen wie geistigen Fähigkeiten auf: Sie reicht von leichten Einschränkungen bis hin zu schweren geistigen, körperlichen und Sinnesbeeinträchtigungen, die zu mehr oder minder starken Einschränkungen der Lebensqualität und der Teilhabe an der Gesellschaft führen können.

Menschen mit Down-Syndrom gelten daher im Sinne des Neunten Sozialgesetzbuches (SGB IX) als schwerbehindert. Je nach Art und Schwere der Symptome wird ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 bis 100 durch die Versorgungsämter anerkannt, sodass ein Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) besteht (betanet, 2024a).

Mehr zur Feststellung der Behinderung nach dem Schwerbehindertenrecht und dem Grad der Behinderung (GdB) bei Down-Syndrom erfahren Sie in Kapitel 1.7 Anerkennungsverfahren.

 

Definition von Behinderung

Im Sozialrecht versteht man unter „Behinderungen“ die Auswirkungen gesundheitlicher Beeinträchtigungen auf die soziale Teilhabe.

Es werden drei Kategorien von Behinderungen (beziehungsweise leistungsberechtigte Personengruppen) unterschieden:

  1. „von Behinderung bedroht“ (bei länger andauernden gesundheitlichen Problemen, wie nach Arbeitsunfall oder bei chronischer Erkrankung),
  2. (amtlich anerkannt) „behindert“,
  3. amtlich anerkannt „schwerbehindert“ und „schwerbehinderten Menschen gleichgestellt“.

Je nach Ausmaß der Beeinträchtigungen haben Menschen einen Anspruch auf

  1. Rehabilitationsleistungen und/oder präventiv wirkende Leistungen,
  2. behinderungsausgleichende oder aber
  3. besondere unterstützende Leistungen und Hilfen im Arbeitsleben.

Ziel aller Leistungen ist es, eine „Verbesserung der Teilhabe“ zu erreichen, das heißt, Leistungen sollen dazu beitragen, die Leistungsfähigkeit der Leistungsberechtigten zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und auf Dauer zu sichern. Sie dienen dazu, Arbeit so zu gestalten, wie es für die volle berufliche Teilhabe erforderlich ist.

Grundlage für dieses Verständnis von „Behinderung“ sind die Begriffsbestimmungen in § 2 SGB IX (Sozialgesetzbuch Neuntes Buch).

Mehr zum Thema

2.2 Zahlen und Fakten

Das Down-Syndrom ist die häufigste numerische Chromosomenanomalie des Menschen. In Deutschland leben schätzungsweise rund 50.000 Menschen mit Down-Syndrom. Dies macht 0,06 Prozent der deutschen Bevölkerung aus. Weltweit liegt die Inzidenz für Down-Syndrom bei circa 1 zu 800 Lebendgeborenen (Hoppen, 2021; Statista, 2018).

Die Wahrscheinlichkeit steigt jedoch mit dem mütterlichen Alter zum Zeitpunkt der Konzeption: Liegt die Inzidenz bei 21-jährigen Müttern noch bei 1 zu 1.500, so liegt sie bei 41-jährigen bereits bei 1 zu 80. (Die Zahlen gelten nur für freie Trisomien.) (Statista, 2018)

Obgleich das Down-Syndrom mit diversen Symptomen wie Fehlbildungen oder einer erhöhten Infektanfälligkeit einher geht, stieg die Lebenserwartung für Menschen mit Down-Syndrom in den letzten 30 Jahren u.a. durch den medizinischen Fortschritt kontinuierlich an. 1984 lag die Lebenserwartung noch bei circa 25 Jahren, während sie 2014 bereits bei ca. 60 Jahren lag. Dennoch sterben rund 15 Prozent der Kinder mit Down-Syndrom in den ersten Lebensmonaten an schweren Herzfehlern oder Fehlbildungen (Gillessen-Kaesbach & Hellenbroich, 2019; Statista, 2018).

2.3 Mögliche Ursachen und Risikofaktoren

Die Ursachen für die Entstehung von Trisomie 21 sind in der Genetik begründet; es gibt keine Umweltfaktoren, die das Down-Syndrom begünstigen können. Das zusätzliche Chromosom wird dabei in der Regel von der Mutter vererbt. Es ist jedoch noch nicht vollständig geklärt, warum es zu einer Anomalie im Chromosomenhaushalt kommt (Campbell & Reece, 2009; Powell-Hamilton, 2023).

Es können vier Arten von Trisomien unterschieden werden, die sich auch auf die symptomalen Folgen auswirken können:

Down-Syndrom-Arten

Die häufigste Form des Down-Syndroms ist die freie Trisomie 21 (Q90.0; ICD-10-GM, Version 2023), die durch eine sogenannte Non-Disjunktion (fehlende Chromosomen-Trennung) während der meiotischen (Keim-)Zellteilung entsteht. Die fehlende Teilung zweier Chromosomenpaare während der Zellteilung bewirkt, dass das Chromosom 21 anschließend in einer Tochterzelle dreifach und in der anderen lediglich einfach vorhanden ist (DocCheck Flexikon, 2024; Gillessen-Kaesbach & Hellenbroich, 2019).

Eine weitere Form ist die Mosaik-Trisomie 21 (Q90.1; ICD-10-GM, Version 2023), welche durch eine Non-Disjunktion während der mitotischen Zell(kern)teilung entsteht. Dies bewirkt, dass neben einer normalen Zelle auch eine Trisomie-Zelle entsteht (DocCheck Flexikon, 2024; Gillessen-Kaesbach & Hellenbroich, 2019).

Wird ein Chromosom 21 mit einem anderen Chromosom verbunden, nennt sich dies Translokationstrisomie 21 (Q90.2; ICD-10-GM, Version 2023), da es durch eine Umlagerung (Translokation) der Erbinformation des 21. Chromosoms an ein anderes Chromosom gekennzeichnet ist. Betroffene haben dabei weiterhin die üblichen 46 Chromosomen, wobei ein homologes Chromosomenpaar 21 und ein transloziertes Chromosomenpaar (z.B. t(21;14)) entstanden ist (DocCheck Flexikon, 2024; Gillessen-Kaesbach & Hellenbroich, 2019).

Die seltenste Form des Down-Syndroms ist die partielle Trisomie 21 (Q90.2 Trisomie 21, nicht näher bezeichnet; ICD-10-GM, Version 2023), bei der nur Teile des Chromosoms 21 in doppelter Form vorliegen (DocCheck Flexikon, 2024; Gillessen-Kaesbach & Hellenbroich, 2019).

Das Risiko, ein Kind mit Down-Syndrom zu bekommen, steigt mit dem mütterlichen Alter bei der Konzeption. Frauen, die über 35 Jahre alt sind, haben ein generell erhöhtes Risiko für die Entstehung von chromosomalen Anomalien (darunter auch die freie Trisomie 21). Ebenso können zufällige Translokationen, die von den Eltern weitervererbt werden, Risikofaktoren darstellen und auch Eltern, die bereits ein Kind mit Down-Syndrom geboren haben, haben ein erhöhtes Risiko wieder ein Kind mit Down-Syndrom zu bekommen. Frauen mit Down-Syndrom haben darüber hinaus eine 50-prozentige Chance, ebenfalls ein Kind mit Down-Syndrom zu gebären, während Männer mit Down-Syndrom in der Regel unfruchtbar sind (Ausnahme ist die Mosaik-Trisomie 21). Jedoch geht dies mit einem erhöhten Fehlgeburtenrisiko einher (Powell-Hamilton, 2023; Campbell & Reece, 2009; DocCheck Flexikon, 2024).

2.4 Symptome und Folgen

Die klinische Ausprägung der Symptome ist abhängig von der Art des Down-Syndroms sehr unterschiedlich — sie reicht von leichten Beeinträchtigungen bis hin zu schweren Erkrankungen. Dennoch gibt es Erkrankungen, die bei Menschen mit dem Down-Syndrom häufiger vorkommen, und die die Gesundheit und/oder die altersgerechte Entwicklung beeinträchtigen können.

Strukturelle Merkmale

Menschen mit Down-Syndrom sind meist kleinwüchsig und haben meist typische morphologische Veränderungen an Kopf und Gesicht. Dazu zählt ein verkleinerter Kopf mit einem breiten, abgeflachten Gesicht und eine verkürzte Nase. Zudem kann es zu überschüssiger Nackenhaut (Nackenfalten) kommen und der Hals verkürzt und dicker sein. Die Augen sind typischerweise schräg nach oben stehend mit einer schmalen, von innen nach außen ansteigenden Lidachse und einer oberen Lidfalte, die den Augenwinkel bedeckt. Auch eine vergrößerte Zunge, ein häufig offener Mund, sowie kleine Ohren, die rund und tief angesetzt sind, kommen gehäuft bei Menschen mit Down-Syndrom vor (DocCheck Flexikon, 2024; Powell-Hamilton, 2023; Gillessen-Kaesbach & Hellenbroich, 2019; Akhtar & Bokhari, 2023).

Die Hände sind in der Regel kurz und breit. Ebenso sind die Finger verkleinert und können aus zwei statt drei Gliedern bestehen. Eine einzelne Falte in der Handmitte ist ebenso typisch für Menschen mit Down-Syndrom (Vierfingerfurche). Darüber hinaus kommen bei Menschen mit Down-Syndrom häufig Spreizzehen (vergrößerter Abstand zwischen dem ersten und zweiten Zeh; Sandalenfurche) vor (Powell-Hamilton, 2023; DocCheck Flexikon, 2024; Gillessen-Kaesbach & Hellenbroich, 2019).

Der Bewegungsapparat bei Menschen mit Down-Syndrom ist gehäuft gekennzeichnet durch Hüftfehlstellungen. Auch ein früheres Auftreten von degenerativen Erkrankungen der Halswirbelsäule kann vermehrt vorkommen (Hoppen, 2021). Zudem kann es bedingt durch eine erhöhte Beweglichkeit (Hypermobilität) der Gelenke und durch verminderte Spannung der Muskeln (Muskelhypotonie) zu Verzögerungen der Grobmotorik und einer erhöhten Anfälligkeit für Knochenbrüche kommen (DocCheck Flexikon, 2024; Hoppen, 2021; Gillessen-Kaesbach & Hellenbroich, 2019; Akhtar & Bokhari, 2023).

Fehlbildungen der Organe und neurologische Erkrankungen

Viele Säuglinge werden mit Fehlbildungen des Magen-Darm-Traktes oder des Herzens geboren (Powell-Hamilton, 2023; DocCheck Flexikon, 2024; Hoppen, 2021; Gillessen-Kaesbach & Hellenbroich, 2019; Akhtar & Bokhari, 2023). Angeborene Herzfehler kommen bei etwa der Hälfte der Neugeborenen vor (DocCheck Flexikon, 2024) und zählen zu den häufigsten Todesursachen bei Menschen mit Down-Syndrom (Akhtar & Bokhari, 2023). Fehlbildungen und Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes können vermehrt zu Verstopfungen, Durchfall oder chronischen Dünndarm-Entzündung (Zöliakie) führen (Akhtar & Bokhari, 2023; DocCheck Flexikon, 2024).

Bei einigen Menschen mit dem Down-Syndrom können diverse Augenfehlbildungen vorkommen. So können die Augen u.a. bereits im jungen Alter getrübt sein (Katarakt) (DocCheck, Flexikon, 2024; Hoppen, 2021; Akhtar & Bokhari, 2023). Auch Fehlbildungen der Ohren kommen vermehrt vor und können zu Hördefiziten führen (Hoppen, 2021; Akhtar & Bokhari, 2023). Durch neurologische Erkrankungen haben Menschen mit dem Down-Syndrom ein erhöhtes Risiko für epileptische Anfälle, Krämpfe und auch Spasmen (DocCheck Flexikon, 2024; Hoppen, 2021; Akhtar & Bokhari, 2023). 

Männer mit Down-Syndrom sind vermehrt infertil, was auf eine Unterfunktion der Keimdrüsen zurückzuführen ist. Bei Frauen kann die Gebärfähigkeit ebenfalls beeinträchtigt sein (DocCheck Flexikon, 2024).

Entwicklungsverzögerungen und psychische Erkrankungen

Menschen mit dem Down-Syndrom können durch die oben genannten Fehlbildungen und strukturellen Veränderungen vermehrt Defizite in der sprachlichen und motorischen Entwicklung sowie in der Sexualentwicklung und Pubertät haben (Powell-Hamilton, 2023; Hoppen, 2021; Gillessen-Kaesbach & Hellenbroich, 2019; Akhtar & Bokhari, 2023). Zudem liegt häufig eine verminderte Intelligenzleistung bzw. eine leichte bis schwere Lernbeeinträchtigung bis hin zu einer geistigen Behinderung vor (DocCheck Flexikon, 2024; Powell-Hamilton, 2023; Akhtar & Bokhari, 2023).

Darüber hinaus weisen Menschen mit Down-Syndrom eine erhöhte Anfälligkeit für autistische Verhaltensweisen und Aufmerksamkeits-Defizite (AD(H)S) vor. Auch ein erhöhtes Risiko für die Entstehung von Depressionen sowohl im Erwachsenen- wie auch im kindlichen Alter und das Vorkommen von Schlafstörungen sind erwiesen (Powell-Hamilton, 2023; Hoppen, 2021). Demenzerkrankungen wie Alzheimer können früher (ab circa 40 Jahren) und häufiger bei Menschen mit Down-Syndrom auftreten (DocCheck Flexikon, 2024; Hoppen, 2021; Gillessen-Kaesbach & Hellenbroich, 2019; Akhtar & Bokhari, 2023).

Weitere Erkrankungen

Eine häufige Todesursache bei Menschen mit Down-Syndrom ist die erhöhte Anfälligkeit für Infekte (DocCheck Flexikon, 2024; Hoppen, 2021; Gillessen-Kaesbach & Hellenbroich, 2019). Auch kann es vermehrt zu einer Unterfunktion der Schilddrüse, Diabetes oder einer verfrühten Arthritis kommen (DocCheck Flexikon, 2024; Hoppen, 2021; Akhtar & Bokhari, 2023). Ebenso ist das Risiko für leukämische Erkrankungen und die Entstehung von Tumoren für Menschen mit Down-Syndrom erhöht (Hoppen, 2021; Gillessen-Kaesbach & Hellenbroich, 2019; Akhtar & Bokhari, 2023). Durch eine Verkleinerung der Atemwege kann es zudem zu Atemwegserkrankungen kommen. Circa 50-Prozent der Erwachsenen leiden zudem unter einem erhöhten Körpergewicht (Adipositas) (Hoppen, 2021).

Die Symptome und Erkrankungen, die mit dem Down-Syndrom einhergehen können, sind immens. Dennoch lassen sich einige von ihnen gut bis sehr gut behandeln, sodass ihre Auswirkungen auf die Gesundheit und die Teilhabe am Leben verringert werden können.

2.5 Diagnose

Pränatale Diagnostik

Häufig wird Down-Syndrom bereits während der Schwangerschaft mittels Pränataldiagnostik ermittelt. In der Regel entsteht der Verdacht durch sogenannte Screenings-Tests, wenn z.B. ein entsprechender Ultraschallbefund (wie eine verbreiterte Nackentransparenz) vorliegt oder wenn um die 15. Schwangerschaftswoche eine ungewöhnliche Konzentration von dem Protein AFP (Alpha-1-Fetoprotein) und den Hormonen freiem Östriol und Beta-HCG im mütterlichen Blut festgestellt wird (Erkennung mittels Triple-Test). Zudem kann ein sogenannter NIPT-Test (Nicht-invasive Pränataldiagnostik) durchgeführt werden, um so die DNS des Fötus im mütterlichen Blut zu gewinnen, anhand derer dann ein erhöhtes Risiko für Down-Syndrom ermittelt werden kann (Powell-Hamilton, 2023; DocCheck Flexikon, 2024). Solche (nicht-invasiven) Screening-Tests geben jedoch nur die Wahrscheinlichkeit für das Vorhandensein vom Down-Syndrom an. Um eine endgültige Diagnose zu stellen, müssen anschließend diagnostisch-invasive Tests durchgeführt werden (NDSS, 2024).

Wenn nicht-invasive Screening-Tests Hinweise auf das Down-Syndrom geben, wird die Diagnose anschließend mit einer Chorionzottenbiopsie (Entnahme von Zellen aus dem extrafetalen Gewebe, ab der 10. SSW möglich) und / oder einer Amniozentese (Punktion der Fruchtblase, ab der 15. SSW möglich) bestätigt. Beide Diagnoseverfahren sind invasiv und bergen daher ein erhöhtes Fehlgeburtenrisiko von circa 1 bis 5 Prozent (DocCheck Flexikon, 2024; NDSS, 2024; Powell-Hamilton, 2023; Hoppen, 2021).

Postnatale Diagnostik

Auch nach der Geburt kann das Down-Syndrom diagnostiziert werden. Zunächst stehen dabei bestimmte körperliche Merkmale im Fokus der Untersuchung, die auf das Vorhandensein vom Down-Syndrom hinweisen (z.B. niedriger Muskeltonus, abgeflachtes Gesichtsprofil oder Vierfingerfurche). Anschließend wird ein Bluttest mit Chromosomenanalyse durchgeführt, um die Diagnose sicher zu bestätigen (NDSS, 2024; Hoppen, 2021).

Wenn die diagnostische Bestätigung für die Entscheidung über die weitere Behandlung dringend erforderlich ist, kann zudem eine Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) des 21. Chromosoms innerhalb von einem Tag vorliegen. In der Regel wird anschließend mittels Karyogramm die Art der Trisomie ermittelt (Hoppen, 2021).

Ist  die Diagnose Down-Syndrom bestätigt, werden weitere Tests angeordnet, um Auffälligkeiten im Zusammenhang mit dem Down-Syndrom frühzeitig zu erkennen und ggfs. behandeln zu können. Dazu gehören

  • Ultraschalluntersuchungen des Herzens,
  • weitere Bluttests,
  • Untersuchung der Schilddrüsenfunktionen,
  • Sehtests,
  • Hörtests,
  • Untersuchung der Größe, des Gewichts und des Kopfumfangs auf einer speziellen Wachstumskurve und
  • Untersuchung auf Schlafapnoe (Powell-Hamilton, 2023).

Leitlinien

Leitlinien sind medizinisch-wissenschaftliche Handlungsempfehlungen zur Feststellung und Behandlung verschiedener Erkrankungen. Sie richten sich unter anderem an Ärztinnen und Ärzte sowie an Betroffene. Leitlinien werden regelmäßig von Fachgruppen aktualisiert.

Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V. (DGKJ) hat eine S2k-Leitlinie zu Down-Syndrom im Kindes- und Jugendalter herausgegeben, die zuletzt 2016 aktualisiert wurde und sich aktuell in Überarbeitung befindet.

Nach aktuellen Leitlinien können Sie hier suchen:
Aktuelle Leitlinie zu Down-Syndrom

2.6 Interventionen und Therapie

Die klinische Behandlung von Menschen mit Down-Syndrom ist symptomspezifisch und multidisziplinär aufgebaut, da diverse Körperfunktionen betroffen sein können und eine vollständige Genesung nicht möglich ist. Daher geht mit der Diagnose Down-Syndrom zunächst ein umfangreiches Screening auf mögliche Komplikationen und damit verbundene Erkrankungen einher. Anschließend folgt die Behandlung (und regelmäßige Kontrolle) der spezifischen Symptome, eine genetische Beratung sowie Angebote zur Frühförderung und spezifischer Bildungsangebote. (Powell-Hamilton, 2023; DocCheck Flexikon, 2024; Gillessen-Kaesbach & Hellenbroich, 2019)

Die Einbeziehung der Familie sowie Selbsthilfe- oder Elterngruppen für Angehörige können bei Menschen mit Down-Syndrom für den Austausch und als sozio-emotionale Unterstützung von großer Bedeutung sein (Hoppen, 2021; Akhtar & Bokhari, 2023).

 

Auf den Punkt gebracht

  • Das Down-Syndrom umfasst verschiedene, charakteristische Merkmalssymptome, die aufgrund einer genetisch bedingten Chromosomenanomalie am 21. Chromosom auftreten.
  • Menschen mit Down-Syndrom gelten im Sinne des SGB IX als schwerbehindert.
  • Je nach Art und Schwere der Symptome wird ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 bis 100 durch die Versorgungsämter anerkannt.
  • Das Down-Syndrom ist die häufigste numerische Chromosomenanomalie des Menschen. Rund 50.000 Menschen mit Down-Syndrom leben in Deutschland.
  • Es gibt vier Arten des Down-Syndroms: freie Trisomie 21, Mosaik-Trisomie 21, Translokationstrisomie 21, partielle Trisomie 21.
  • Das Risiko ein Kind mit Down-Syndrom zu bekommen, steigt mit dem mütterlichen Alter.
  • Die klinische Ausprägung der Symptome ist vielfältig und abhängig von der Art des Down-Syndroms. Dazu können u.a. Kleinwüchsigkeit, Hüftfehlbildungen, Fehlbildungen des Magen-Darm-Traktes, des Herzens, der Augen oder der Ohren, neurologische Erkrankungen, Defizite der sprachlichen und motorischen Entwicklung oder eine erhöhte Infektanfälligkeit zählen.
  • Das Down-Syndrom kann mittels invasiven und nicht-invasiven pränatalen Tests sowie postnatalen Chromosomenanalysen diagnostiziert werden.
  • Die Behandlung des Down-Syndroms ist symptomspezifisch und multidisziplinär. Eine vollständige Genesung ist nicht möglich.

2.7 Anerkennungsverfahren

Die amtlich festgestellte Behinderung / Grad der Behinderung (GdB)

Menschen mit Behinderungen oder Erkrankungen können bei ihrem Versorgungsamt einen Antrag auf Feststellung der Behinderung nach dem Schwerbehindertenrecht stellen. Der amtlich festgestellte Grad der Behinderung (GdB) sagt nichts aus über die Leistungsfähigkeit in Arbeit und Beruf, sondern bezieht sich grundsätzlich auf die Auswirkungen von Funktionseinschränkungen auf die Teilhabe an allen wichtigen Lebensbereichen.

Auch bei chronischen Erkrankungen wie Asthma, Diabetes mellitus, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Rheuma, Schlaganfall, Multipler Sklerose, Chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED), starken Rückenleiden oder Krebserkrankungen kann ein GdB anerkannt werden. Faustregel: Als schwer chronisch krank gilt, wer mindestens einmal im Vierteljahr auf eine ärztliche Behandlung angewiesen ist.

Wo gibt es Antragsformulare?

Das Formular zur Feststellung einer Behinderung ist beim zuständigen Amt der Versorgungsverwaltung oder online erhältlich. Der Antrag auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen kann bei der Agentur für Arbeit online ausgefüllt werden (siehe Mehr zum Thema).

Das Amt bestimmt den GdB anhand medizinischer Gutachten und anhand der GdS-Tabelle* der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VMG). Liegen mehrere Beeinträchtigungen vor, wird der sogenannte Gesamt-GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit festgestellt, wobei deren wechselseitige Beziehungen berücksichtigt werden. (Es erfolgt keine Addierung von Einzel-GdB).

Der GdB reicht auf einer zehnstufigen Skala von 20 bis 100.
  • Ab einem GdB von 50 gelten Menschen als „schwerbehindert“; sie erhalten einen Schwerbehindertenausweis sowie bestimmte Merkzeichen.
  • Mit einem GdB von 30 bis 40 ist es möglich, die Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen bei der Agentur für Arbeit zu beantragen.

*In den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VMG) wird die GdB-Tabelle als „GdS-Tabelle“ bezeichnet. In der Praxis besteht zwischen beiden Bezeichnungen kein wesentlicher Unterschied (sowohl GdB als auch GdS werden anhand derselben Tabelle ermittelt). Nach Schwerbehindertenrecht wird der Grad der Behinderung (GdB) ermittelt, daher heißt es hier „GdB-Tabelle“; nach sozialem Entschädigungsrecht wird der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) ermittelt, daher heißt es dort „GdS-Tabelle“.

Ein feiner Unterschied besteht darin, dass sich der ermittelte GdS ausschließlich auf die Schädigungsfolgen (beispielsweise nach einem Arbeitsunfall) bezieht (er also „kausal“ betrachtet wird), während sich der GdB auf alle Gesundheitsstörungen bezieht, unabhängig von ihrer Ursache (er also „final“ betrachtet wird).

Mehr zum Thema

GdB-abhängige Nachteilsausgleiche

Im Arbeitsleben stehen Menschen mit anerkannter (Schwer-)Behinderung und ihren Arbeitgebenden bestimmte GdB-abhängige Nachteilsausgleiche zu: beispielsweise die Betreuung durch spezielle Fachdienste, Hilfen zur behinderungsgerechten Arbeitsplatzausstattung oder Lohnkostenzuschüsse.

Auch gleichgestellte Menschen mit Behinderung (die ohne die Gleichstellung keinen Arbeitsplatz erlangen würden oder bei denen das Risiko besteht, ohne Gleichstellung den Arbeitsplatz zu verlieren) und ihre Arbeitgebenden haben Anspruch auf bestimmte Leistungen.

Schon gewusst?

Junge Menschen mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen werden während einer betrieblichen Ausbildung auch dann gleichgestellt, wenn ihr GdB unter 30 liegt oder kein GdB festgestellt ist. So können Unternehmen Prämien und Zuschüsse zu den Kosten der Berufsausbildung erhalten, wenn sie junge Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen ausbilden (§ 185 Abs. 3 Nr. 2c SGB IX). Darüber hinaus kann der ausbildende Betrieb schwerbehinderte oder gleichgestellte Auszubildende zur Erfüllung seiner Beschäftigungspflicht auf zwei Pflichtarbeitsplätze anrechnen.

Die wichtigsten GdB-abhängigen Nachteilsausgleiche im Arbeitsleben

sb=schwerbehindert; gl=gleichgestellt; AG=Arbeitgebende

Leistung sb gl AG
Finanzielle Leistungen / Begleitende Hilfe im Arbeitsleben Ja Ja Ja
Betreuung durch spezielle Fachdienste Ja Ja Ja
Hilfen zur Arbeitsplatzausstattung Ja Ja Ja
Lohnkostenzuschüsse Ja Ja Ja
Anrechnung auf Pflichtarbeitsplätze Ja Ja Ja
Besonderer Kündigungsschutz Ja Ja Nein
Freistellung von Mehrarbeit Ja Ja Nein
Kraftfahrzeughilfe für den Arbeitsweg Ja Ja Nein
Teilnahme an der Wahl der SBV Ja Ja Nein
Zusatzurlaub Ja Nein Nein
Schwerbehindertenausweis & Merkzeichen Ja Nein Nein
Unentgeltliche Beförderung mit Bus & Bahn Mit Merkzeichen Nein Nein
Vorgezogene Altersrente Ja Nein Nein

* Unentgeltliche Beförderung im ÖPNV mit Merkzeichen G, aG, H, Gl, Bl oder TBl im Schwerbehindertenausweis.

Mehr zum Thema

GdB bei Down-Syndrom

Das Down-Syndrom umfasst eine große Spanne an möglichen Symptomkomplexen. Sie reichen über gravierenden Herzfehler, Gangstörungen bis hin zu kognitiven Beeinträchtigungen. Nach dem Neunten Sozialgesetzbuch (SGB IX) gelten Menschen mit Down-Syndrom daher als schwerbehindert. Die Einstufung des Grads der Behinderung (GdB) ist dabei abhängig von der Art und Schwere der Symptome und kann je nach individueller Symptomausprägung zwischen 50 und 100 liegen. Dementsprechend sind auch die Nachteilsausgleiche ebenso wie die Merkzeichen für Menschen mit Down-Syndrom unterschiedlich (betanet.de, 2024a).

Was tun bei Antragsablehnung?

Wenn der GdB-Antrag abgelehnt wurde oder ihm nicht im geforderten Umfang stattgegeben wurde, kann gegen den Bescheid innerhalb eines Monats Widerspruch eingelegt werden. Das Versorgungsamt muss den Bescheid (für Betroffene kostenfrei) noch einmal prüfen. Sollte auf den Widerspruch kein Abhilfebescheid, sondern ein Widerspruchsbescheid folgen, kann innerhalb eines Monats beim Sozialgericht des eigenen Wohnsitzes die Klage eingereicht werden. Beratung und Unterstützung werden von Unabhängigen Teilhabeberatungsstellen angeboten.

Mehr zum Thema

Erwerbsminderung bei Down-Syndrom

Grundsätzlich können Menschen mit Down-Syndrom folgende Rentenarten in Anspruch nehmen, wenn die Voraussetzungen dafür erfüllt sind:

  • Erwerbsminderungsrente,
  • Altersrente für schwerbehinderte Menschen vor der Regelaltersrente und
  • Regelaltersrente.

Für Menschen mit Down-Syndrom, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten, gilt im Allgemeinen: Wenn Personen die Regelaltersgrenze noch nicht erreicht haben und nicht mehr oder nur noch in geringem Umfang arbeitsfähig sind, können sie bei der gesetzlichen Rentenversicherung eine Erwerbsminderungsrente beantragen.

  • Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung wird gewährt, wenn die Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter 6 Stunden, aber noch über 3 Stunden liegt.
  • Rente wegen voller Erwerbsminderung wird gewährt, wenn die Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bei nur noch unter 3 Stunden täglich liegt.

Daneben müssen weitere Voraussetzungen vorliegen:

  • Vor Eintritt der Erwerbsminderung muss die Mindestversicherungszeit von 5 Jahren erfüllt sein und
  • in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung müssen mindestens 3 Jahre Pflichtbeiträge gezahlt worden sein.

Besondere Regelungen gibt es für Personen,

  • die bereits vor 1984 die Mindestversicherungszeit von 5 Jahren nachweisen können und seit 1984 bis zum Eintritt der Erwerbsminderung durchgehend rentenversichert sind,
  • für Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger sowie
  • für Menschen, die von Geburt an mit Behinderungen leben und in einer geschützten Einrichtung arbeiten.

Menschen mit Down-Syndrom, die in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung (WfbM) oder bei anderen Leistungsanbietern arbeiten, gelten als voll erwerbsgemindert. Für diese Personen muss die Mindestversicherungszeit von 5 Jahren NICHT erfüllt werden; vielmehr besteht das Anrecht auf Erwerbsminderungsrente bei Menschen mit Down-Syndrom nach 20 Jahren Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM). Ebenso berechnet sich die Höhe der Erwerbsminderungsrente nicht aus dem Einkommen aus der Werkstatttätigkeit (aus dem die Beschäftigten keine Rentenversicherungsbeiträge leisten), sondern sie werden durch die Werkstattträger geleistet. (betanet.de, 2024b)

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Die wichtigsten GdB-abhängigen Nachteilsausgleiche im Arbeitsleben

sb=schwerbehindert; gl=gleichgestellt; AG=Arbeitgebende

Leistung sb gl AG
Finanzielle Leistungen / Begleitende Hilfe im Arbeitsleben Ja Ja Ja
Betreuung durch spezielle Fachdienste Ja Ja Ja
Hilfen zur Arbeitsplatzausstattung Ja Ja Ja
Lohnkostenzuschüsse Ja Ja Ja
Anrechnung auf Pflichtarbeitsplätze Ja Ja Ja
Besonderer Kündigungsschutz Ja Ja Nein
Freistellung von Mehrarbeit Ja Ja Nein
Kraftfahrzeughilfe für den Arbeitsweg Ja Ja Nein
Teilnahme an der Wahl der SBV Ja Ja Nein
Zusatzurlaub Ja Nein Nein
Schwerbehindertenausweis & Merkzeichen Ja Nein Nein
Unentgeltliche Beförderung mit Bus & Bahn Mit Merkzeichen Nein Nein
Vorgezogene Altersrente Ja Nein Nein

* Unentgeltliche Beförderung im ÖPNV mit Merkzeichen G, aG, H, Gl, Bl oder TBl im Schwerbehindertenausweis.

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3 Fördern und Fordern
Mit Down-Syndrom im Job

Eine riesige Hürde für Menschen mit Down-Syndrom besteht bereits darin, ob ihnen überhaupt die Möglichkeit gegeben wird, sich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuprobieren. In einem Großteil der Fälle werden sie aus einem Automatismus heraus direkt von der Schule aus in eine Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) geschickt. Vor allem der Weg von einer Förderschule in die Werkstatt ist vorgezeichnet und es bedarf großer Eigeninitiative, sich davon zu entfernen. (IC-Umfrage, Folgen) 

Den Mangel an gemeinsamen öffentlichen Räumen von Menschen mit Down-Syndrom und ihren Mitmenschen verstärkt diese Praxis noch. Es fehlen Gelegenheiten, einander zu begegnen und sich kennenzulernen. Stattdessen gibt sie Raum für Vorurteile und Klischees. Die müssen erst einmal abgebaut werden – und im Idealfall mit Wissen über das Down-Syndrom ersetzt werden. 

Um gut miteinander arbeiten zu können, ist es von großer Bedeutung, dass das Arbeitsumfeld sich mit den spezifischen Verhaltensweisen von Menschen mit Down-Syndrom auskennt. Nur so können Arbeitgebende geeignete Rahmenbedingungen schaffen, auf ihre Bedürfnisse eingehen und Konflikten vorbeugen. Und nur so können sie von ihren Stärken profitieren und sie gezielt einsetzen und fördern.  

Menschen mit Down-Syndrom einzustellen, ist mehr als nur Gutes zu tun; es geht darum, das zu tun, was gut für das Unternehmen ist. Hier ist der Grund: Menschen mit Down-Syndrom sind wie alle anderen auch. Sie haben Stärken, Schwächen, Talente und Fähigkeiten. Sie sind fähig und qualifiziert.

Zitat Down Syndrome Association of Greater Charlotte ([3])

In diesem Kapitel wollen wir daher über spezifische Besonderheiten von Menschen mit Down-Syndrom Informieren und darüber, wie sie sich auf ihr Verhalten und auf den Berufsalltag auswirken können.  
(ergänzen: Ziele bzgl. AG+MA, jeder Mensch mit DS individuelle Fähigkeiten) 

Im Folgenden sind Fähigkeiten und Eigenschaften vieler Menschen mit Down-Syndrom aufgeführt. Aufgrund der verschiedenen Formen und der individuell sehr unterschiedlichen Ausprägung treffen natürlich nicht auf alle Betroffenen und nicht in gleichem Maße zu. 

3.1 Verstehen, Informieren, Sensibilisieren

Sie sind immer fröhlich und verbreiten gute Stimmung – so lautet ein verbreitetes Klischee über Menschen mit Down-Syndrom. Stimmt das? Welche Besonderheiten im Verhalten gibt es? Und wie können sich die Verhaltensweisen auf den Berufsalltag auswirken? 

Arbeitsweise 

Für Menschen mit Down-Syndrom spielen Regeln und Routinen eine wichtige Rolle und sie halten sich für gewöhnlich sehr zuverlässig an sie. Manche Regeln sollten gleich von Anfang an geklärt und auf ihre Einhaltung geachtet werden, vor allem Arbeitszeiten, Pausenzeiten und Pünktlichkeit. Denn einmal etablierte Routinen lassen sich nur schwer ändern, erklärt das Deutsche down-Syndrom Info-Center. 

Der Person sollte auch erklärt werden, was „Pünktlichkeit“ im Arbeitsumfeld konkret heißt.  Zum Beispiel, wenn von ihr erwartet wird, dass sie vor Arbeitsbeginn da ist, damit sie zur eigentlichen Uhrzeit anfangen kann. Auch andere unausgesprochene Regeln sollten einmal ausformuliert werden, falls die Person mit Down-Syndrom sie noch nicht verinnerlich hat und sich künftig an sie halten soll. 

Viele andere Mitarbeiter wären von den immer gleichen Abläufen gelangweilt und würden aus fehlender Aufmerksamkeit womöglich Fehler machen. Mitarbeiter mit Down-Syndrom blühen dagegen auf, wenn sie festen Routinen und geordneten Abläufen folgen können. Sie halten sich exakt an die Abläufe und erledigen erlernte Routine-Aufgaben zuverlässig, gewissenhaft und selbstständig. (IC) 

Das können Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber für sich nutzen, etwa für immer wiederkehrende, aber wichtige Tätigkeiten in Krankenhäusern, Alten- oder Pflegeheimen. Ein Beispiel: Die Tablettenvergabe in einer Klinik durch eine Pflegehelferin mit Down-Syndrom (BR-Beitrag, Fest im Job: Pflegehelferin im Krankenhaus mit Down-Syndrom | Schwaben + Altbayern | BR). 

Routinen wie Tages- oder Wochenpläne geben den Personen ein Gefühl von Sicherheit und Ordnung. Unvorhergesehenen Aufgaben oder Unterbrechungen können dagegen für Verunsicherung sorgen. Das erklärt das Deutsche Down-Syndrom Info-Center.  

Zu den großen Herausforderungen im Arbeitsleben gehören für Menschen mit Down-Syndrom Tempo nd Zeitgefühl. Sie haben häufig kein gutes Zeitgefühl und erledigen ihre Aufgaben Schritt für Schritt und gewissenhaft – mit Abstrichen bei der Geschwindigkeit. Feste Fristen und Aufgaben unter Zeitdruck sind für Menschen mit Down-Syndrom nicht geeignet. In einer Arbeitsumgebung mit Stress und Hektik kann sie sich nicht konzentrieren. 

Ablenkung und Ablenkbarkeit sind ebenfalls große Herausforderungen. Gerade zu Anfang oder in Phasen, in denen viel Neues gelernt wird, kann die Konzentration schneller nachlassen und unter Umständen sind zusätzliche Pausen nötig.  

Für diesen Fall sollte schon einmal ein Vorgehen vereinbart werden. Sonst kann es passieren, dass die Person bei Nachlassen der Konzentration oder Erschöpfung einfach aufhört, zu arbeiten oder sich abschottet – und ihr Arbeitsumfeld mit Unverständnis oder Ärger reagiert. Auf beiden Seiten kann Frust entstehen. Auch für den Umgang mit dem Handy sollten früh Regeln etabliert werden. (IC. WiAL) 

Lernen und Informationen aufnehmen 

Menschen mit Down-Syndrom nehmen Informationen anders auf und verarbeiten sie anders als andere Menschen. Das hat im beruflichen Kontext große Auswirkungen darauf, wie sie Aufgaben erlernen. Beispielsweise ist die rein auditive Wahrnehmung weniger gut geeignet, da häufig eine Hörminderung vorliegt. Dafür funktionieren visuelle Reize besonders gut. Bezogen auf das Erlernen einer neuen Aufgabe heißt das, eine rein sprachliche Arbeitsanweisung reicht selten aus. Dafür kann die visuelle Stärke genutzt werden: Erklärungen mit Bildern oder Symbolen verfangen viel besser. Schriftliche Anweisungen können reines Erklären unterstützen - möglichst klar strukturiert und gut verständlich. (IC, SchG, Dörner, IFD) 

Kommunikation 

Eine Stärke von Menschen mit Down-Syndrom liegt im Sozialen und bei vielen, aber nicht bei allen in ihrer Kontaktfreude. (IC) Sie sind beziehungsorientiert und häufig auch sehr interessiert an Kommunikation. (Dörner)  

Ihre kognitive Beeinträchtigung führt allerdings dazu, dass sie manche Dinge nicht gut mitteilen können. (ifd) Ihr Gegenüber schließt daraus häufig, dass sie auch weniger verstehen oder sogar ihr Denkvermögen eingeschränkt sei – dabei verstehen sie in der Regel gut. (IC) Wichtig ist  dafür eine klare, direkte Sprache. 

Das Sprachverständnis ist in der Regel deutlich besser entwickelt als die Fähigkeit, sich sprachlich auszudrücken.

Deutsches Down-Syndrom InfoCenter 

Das Deutsche Down-Syndrom Info-Center vergleicht das mit jemandem, der sich in einer Fremdsprache verständigt: Die Suche nach den richtigen Wörtern ist mühsam, die Aussprache gelingt nicht immer und die Unsicherheit ist groß, etwas falsch zu machen. Trotzdem versteht die Person womöglich sehr gut, was andere sagen. 

Durch diese Falschannahme werden Menschen mit Down-Syndrom häufig unterschätzt. Im Arbeitskontext kann das heißen, ihnen wird weniger zugetraut als sie schaffen würden. Dadurch können Langeweile und Frust entstehen. Die Herausforderung ist hier, das richtige Maß zwischen Unter- und Überforderung zu finden. 

Soziales Verhalten 

Ihre hohen sozialen Kompetenzen zählen zu den großen Stärken von Menschen mit Down-Syndrom (IC). In unseren Interviews beschreiben die Fachleute sie als freundlich, höflich, liebenswert, ehrlich und direkt. Es entsteht ein Bild von herzlichen Personen, die andere schnell für sich gewinnen können. 

Es wird von positiven Effekten auf das Betriebsklima berichtet, beispielsweise einer höheren Zufriedenheit der Mitarbeitenden oder gesunkenen Fehlzeiten. (WiAL) 

Die menschliche Komponente, diese absolute Ehrlichkeit (…), nichts ist verstellt. Das schätze ich enorm.

Tomaso Giurgolo, arbeitet mit jungen Menschen mit Down-Syndrom 

Roderich Dörner hat vor seiner Position als Inklusions-Berater bei Rewe bereits in unterschiedlichen Stationen mit Personen mit Down-Syndrom zusammengearbeitet. Eine weitere Stärke sieht er in der hohen Serviceorientierung und der Fähigkeit, auf Menschen zuzugehen. Dadurch gebe es große Potenziale für eine Beschäftigung in verschiedenen Dienstleistungsberufen. 

Gerade im Sozialverhalten gibt es aber auch Besonderheiten, die im beruflichen Alltag zu Herausforderungen führen können. Es lohnt sich, wenn das Arbeitsumfeld ein Grundwissen darüber erhält, um bestimmte Verhaltensweisen besser einordnen zu können. Mögliche Konfliktsituationen lassen sich von vornherein vermeiden oder einfacher lösen. 

Gelernte Verhaltensregeln 

Manche sozialen Situationen können Menschen mit Down-Syndrom überfordern. Das gilt vor allem für Interaktionen, die gelernte Regeln befolgen: Smalltalk und Witze werden nicht immer verstanden. Zudem ist es schwierig, Unterhaltungen mit mehreren Personen oder in der Gruppe zu folgen. 

Für Menschen mit Down-Syndrom sind solche unausgesprochenen Regeln oft schwer durchschaubar oder sie müssen sie neu lernen und verinnerlichen. Diskussionen im Team oder eine Betriebsversammlung, bei der ein rauer Ton herrscht, können zum Beispiel für Verunsicherung und Ängste sorgen. Angestellte mit Down-Syndrom gehen womöglich von einem ernsten Streit aus – sie können die Situation, Rollen und Motive nicht einordnen. (IC) 

Entwicklungsverzögerung 

Das Entwicklungsalter entspricht oft nicht dem Lebensalter. Das kann dazu führen, dass Angestellte mit Down-Syndrom kindlicher wirken, sich kindlicher verhalten und nicht ihrem Alter entsprechend. Wenn Kollegen, Kolleginnen oder Vorgesetzte das nicht wissen, kann es schnell zu Irritationen führen. Unter Umständen wurden auch Dinge noch nicht gelernt oder Erfahrungen noch nicht gemacht, von denen zu diesem Lebensalter ausgegangen wird. (IFD) 

Selbstreflexion 

Menschen mit Down-Syndrom fehlt unter Umständen das Gespür dafür, ob sie eine Aufgabe gut erfüllt haben oder nicht. Aus falsch verstandener Rücksichtnahme oder Freundlichkeit gibt das Arbeitsumfeld manchmal keine ehrliche Rückmeldung, wird auf der Veranstaltung „Wege ins Arbeitsleben“ des Vereins Down-Syndrom Köln berichtet. Themen sind zum Beispiel das Arbeitstempo oder Pünktlichkeit. Doch ehrliches Feedback ist hier umso wichtiger. Nur so weiß die Person um eine Schwäche und kann gezielt daran arbeiten, gegebenenfalls in einem Jobcoaching. (DSK) 

Ähnliches gilt für schlechte Stimmung im Team. Die nehmen sie oft nur wahr, wenn man sie konkret auf eine Situation aufmerksam macht und das Problem erklärt. Dann reagieren sie meist einsichtig und Konflikte lassen sich vermeiden. Zu merken, dass man Hilfe braucht und bei Unklarheiten nachzufragen kann bei fehlender Selbstreflexion zusätzlich eine Herausforderung sein. (IFD) 

Persönlicher Raum 

Menschen mit Down-Syndrom sind beziehungsorientiert und kommunizieren oft auch über körperliche Nähe. Im beruflichen Kontext ist das in vielen Fällen schwierig. Ihre Vorliebe für Umarmungen kann zu Unverständnis und Ärger im Team führen und als unangebracht oder sogar übergriffig gesehen werden. Daher sollten der Person in einem solchen Fall schnell Grenzen aufgezeigt und ein Gespür für den persönlichen Raum einer Person vermittelt werden. Zum Beispiel können Regeln für zu wahrende Abstände zu Kollegen und Kolleginnen, Vorgesetzten oder im Kundenkontakt aufgestellt werden. (RD, IC) 

Andererseits geht jeder Betrieb individuell mit diesem Thema um. In manchen Bereichen wird mehr auf einen professionellen Umgang geachtet und darauf, Grenzen einzuhalten. In anderen Bereichen geht es womöglich stärker um das menschliche Miteinander. Wenn alle persönlichen Grenzen gewahrt werden, kann eine herzliche Art auch als Stärke von Menschen mit Down-Syndrom aufgefasst werden – wie Roderich Dörner selbst im Interview erzählt. 

3.2 Wir haben auch eine Stimme! Eine Befragung von Menschen mit Down-Syndrom im Job

Die Befragung richtete sich an Menschen mit Down-Syndrom, die sich in Ausbildung oder Beruf befanden.

Es wurden insgesamt 24 Fragen an 10 Personen mit Down-Syndrom gestellt.

Inhaltlich ging es um Fragen zu Herausforderungen und mögliche Unterstützung rund um das Thema Arbeit.

Hier geht es zu den Befragungsergebnissen

3.3 Klare Kommunikation ohne Vorurteile
Interview mit einer Fachberaterin des Integrationsfachdienstes (IFD)

Sie haben Erfahrungen mit der beruflichen Teilhabe einer Person mit Down-Syndrom. Würden Sie uns davon erzählen?

Ich habe einen jungen Mann mit Down-Syndrom während seiner Ausbildung in einem Inklusionsunternehmen im Gastgewerbe begleitet. Das war so um 2020, 2021, 2022, unter erschwerten Bedingungen wegen der Corona-Pandemie. Seine konkreten Tätigkeiten lagen im Service und in der Bedienung von Gästen. Ich war die zuständige Sozialbetreuung für seinen Ausbildungsbetrieb. Inklusionsunternehmen bekommen vom Inklusionsamt eine monatliche Pauschale ausgezahlt, um ihren Unterstützungsbedarf bei der psychosozialen Begleitung zu decken.  Das war meine Aufgabe.

Worin bestand Ihre Tätigkeit in diesem Fall?

Es gab ein paar Verhaltensprobleme, da wurde ich regelmäßig hinzugerufen. Und ich habe bei Vorbereitungen für die Zwischenprüfung geholfen. Ich bin dazugekommen, wenn der Betrieb gemerkt hat, „da kommen wir behinderungsbedingt nicht weiter, da brauchen wir eine Fachkraft von außen“. Denn auch wenn es ein Inklusionsunternehmen ist, bleibt es ein Wirtschaftsunternehmen. Im Tagesgeschäft sind häufig die Ressourcen oder die Kompetenzen überschritten und Konflikte werden nicht aufgearbeitet. Ein Mensch mit Behinderung bringt andere Themen mit in den Arbeitsalltag oder die Beeinträchtigung führt dazu, dass man manche Dinge nicht so gut mitteilen kann. Ich habe auch Kontakt zu dem familiären Umfeld des Klienten gehalten.

Wie häufig waren Sie im Unternehmen?

Ich war bedarfsweise vor Ort. Es gab Monate, wo ich gerade wegen Corona nicht da war. Und es ist vorgekommen, dass ich zwei bis drei Mal im Monat da war.

Worin lagen insbesondere die Herausforderungen?

Vor allem waren das Verhaltensschwierigkeiten und kollegiale, zwischenmenschliche Schwierigkeiten. Man muss bedenken, dass Menschen mit Down-Syndrom eine Entwicklungsverzögerung haben. Das Lebensalter ist nicht unbedingt gleich dem Entwicklungsalter. Darüber wusste das Arbeitsumfeld nicht immer Bescheid. Aufgrund der kognitiven Einschränkungen gab es Schwierigkeiten in der Kommunikation und er ist mal mit Kolleg*innen angeeckt. Im Arbeitsalltag konnten die Missverständnisse nicht aufgearbeitet werden, was zu Frustration und Irritationen geführt hat.

Wie sind Sie in diesen Situationen vorgegangen?

Ich habe mit der Person solche Situationen durchgesprochen und Verhaltensregeln dazu aufgestellt. Wir haben Verhaltenshandbücher im Kleinen erstellt und viel darüber gesprochen, was in einem Betrieb geht und was nicht. Wie kann ich mich verhalten? Wie kann ich mit Kollegen reden, wie kann ich mit Kunden reden, wie rede ich mit meinem Vorgesetzten? Eine Art Knigge-Regeln der Kommunikation, die vielleicht aufgrund der Behinderung noch nicht verinnerlicht wurden.

Wie hat der junge Mann selbst die Situationen erlebt?

Er hat die Konflikt-Situationen oft selbst nicht als problematisch wahrgenommen. Bei Gesprächen hat er sich aber klar erinnert und die Handlungen nicht bestritten. Wenn ihm erklärt wurde, warum sein Verhalten in dem Moment unpassend oder schwierig war, war er einsichtig. Ihm fehlte oft die Selbstreflexion, zum Beispiel um mitzuteilen, wann er Hilfe braucht oder gebraucht hätte. In zwei Situationen hat er selbst bei mir angerufen.

Was wünschen Sie sich von Arbeitgebenden?

Ich wünsche mir, dass sie offen sind, ohne Vorurteile und Menschen mit Down-Syndrom eine Chance geben.

Vielen Dank für das Gespräch.

3.4 Auswirkungen Down-Syndrom auf das Arbeitsleben: Fazit

Herausforderungen

  • Verlangsamte Arbeitsweise
  • Priorisierung, Zeitmanagement, Flexibilität
  • In andere hineinversetzen, Körpersprache deuten
  • „Was zwischen den Zeilen steht“ (Metaphern, Ironie, Witze) verstehen
  • Small Talk und Kommunikation in Gruppen, Teamarbeit

Quellen: Hier sollte noch eine Quelle eingefügt werden, bspw. IC

Potenziale

  • Loyalität, Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit
  • Arbeitsmotivation, Orientierung an Vorgaben und Regeln
  • Detailgenauigkeit, Qualitätsbewusstsein, Sorgfalt
  • Vorurteilsfreies Denken und Beurteilen

Quelle: Hier sollte noch eine Quelle eingefügt werden, bspw. IC

Menschen mit Down-Syndrom können prinzipiell in vielen Arbeitsbereichen tätig sein. Unterstützend sind sicherlich Tätigkeitsfelder, die planbare, strukturierte Arbeitsabläufe beinhalten. Welche Beschäftigung wirklich passt, hängt letztlich von der individuellen Ausprägung der Behinderung und von den persönlichen Wünschen und Zielen ab. Bei passenden Rahmenbedingungen kann fast jeder Beruf in Frage kommen.

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3.5 Was ist schon normal?
Ein Interview mit Tomaso Giurgolo

Tomaso Giurgolo ist Gründungsmitglied der Offene Schule Köln, einer inklusiven Grund- und Gesamtschule. Er hat das Café Projekt Blaupause ins Leben gerufen, in dem Menschen mit Förderbedarf ein erster Einblick in die Berufspraxis ermöglicht wird.

Wann haben Sie den Mitarbeiter eingestellt und wie sieht sein Aufgabenbereich aus?

Fabian macht ein Jahr Bundesfreiwilligendienst und hat im August 2024 bei uns angefangen. Eine seiner Aufgaben ist es, unser Angebot bereitzustellen, beispielsweise Sandwich-Toasts zuzubereiten. Danach muss der Bestand sämtlicher verbrauchter Lebensmittel aufgefüllt werden. Nach dem eigentlichen Arbeiten kommt das Saubermachen. Gastronomie ist sehr viel Hygiene und da sind die Bestimmungen bei uns ziemlich hoch.

Hatten Sie bereits Erfahrung mit der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung?

Ich bin Gründungslehrer der Schule und arbeite seit 25 Jahren mit Menschen mit Förderbedarf zusammen. Fabian war vorher mein Schüler. Es hilft, wenn man sich kennt und um die Bedarfe und Potenziale weiß. Klar, Defizite gibt es auch, aber ich schaue mehr auf seine Stärken und setze ihn dementsprechend ein. Auf der anderen Seite versuche ich, ihn genauso zu behandeln wie jeden anderen. So ehrlich und respektvoll, wie er mit mir umgeht. Dadurch entsteht ein Stück Normalität.

Was hat Sie bewogen, einen Mitarbeiter mit Down-Syndrom einzustellen?

Ich habe schon als Student mit Menschen mit Down-Syndrom gearbeitet und kenne viele Vorteile, die Menschen mit einem sogenannten ‚unterstützenden Förderbedarf‘ haben. Beispielsweise eine sehr hohe soziale Kompetenz. Die kann man nicht erlernen, die ist einfach da. Und die menschliche Komponente, diese absolute Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit, nichts ist verstellt. Das schätze ich enorm. Ich möchte nicht so betonen, dass wir ein Inklusionsbetrieb sind. Vielleicht wäre es gut für die Vermarktung. Aber ich finde, es sollte selbstverständlich sein, dass ein Mensch mit Down-Syndrom überall mitarbeiten kann.

Welche Stellen waren beim Einstellungsprozess beteiligt?

Wir wurden von einer Beauftragten für Bundesfreiwilligendienste begleitet. Sie hat gesagt, Fabian hätte ein Recht darauf. Im Zusammenhang mit Förderbedarf wissen das wahrscheinlich die Wenigsten. Aus meiner Sicht ist das ein gutes Instrument, um sich auszuprobieren.

Wurde das Team auf den neuen Kollegen vorbereitet, fand eine Beratung statt?

Eine externe Beratung war nicht notwendig. Wir sind eine inklusive Gesamtschule. Bei uns gibt es das sogenannte pädagogische Kochen, das heißt, mit Unterstützung von vier Köchinnen und Köche kochen Schüler für Schüler. So ähnlich funktioniert die Integration hier im Café auch. Wir sind ein multiprofessionelles Team und Unterstützungsbedarf hat doch jeder. Wenn es Fragen gibt, besteht immer die Möglichkeit, sich auch bei einem anderen Sonderpädagogen im Haus das nötige Hintergrundwissen zu holen.

Gibt es Schwierigkeiten am Arbeitsplatz, die im Zusammenhang mit der Behinderung stehen?

Manchmal bedient Fabian die Kasse. Was ihm noch Schwierigkeiten macht, ist das Rechnen mit Bargeld. Aber das ist das Einzige, woran es hier hapert. Als Unterstützung haben wir einen extra großen Taschenrechner. Uns ist ohnehin lieber, man bezahlt nicht mehr mit Bargeld, sondern nur noch mit Karte. Das erleichtert die Abrechnung und vor allem die Bedienung, so dass auch ein Mensch wie Fabian gut damit umgehen kann.

Was läuft gut am Arbeitsplatz?

Am Anfang gab es eine sehr enge Betreuung bei der Einarbeitung. Und wir haben auch Hilfsmittel zur Visualisierung verschiedener Arbeitsabläufe eingesetzt, bspw. dem Einräumen der Lebensmittel. Mittlerweile läuft vieles durch Routinen und immer wiederkehrenden Prozesse wirklich gut. Das gibt Sicherheit. Für mich ist wichtig, Vertrauen zu schenken. Bei Dingen wie der Produktion schaue ich nur, ob es funktioniert – und das tut es. Fördern und fordern ist für mich entscheidend, denn es unterstützt den Wachstumsprozess, wenn du merkst, dass dir jemand etwas zutraut. Mein Ziel war, entbehrlich zu werden, auch auf die Gefahr hin, dass mal etwas schiefläuft. Fehler sind für mich da, um daraus zu lernen – und das sollte für alle Menschen gelten.

Wofür schätzen Sie Fabian besonders? Wodurch bereichert er das Team?

Für sein jederzeit höfliches und zugewandtes Auftreten. Jedem gegenüber. Und seine Ehrlichkeit und Verbindlichkeit. Wenn alle Menschen so wären, wäre die Welt ein Stück weit besser. Wenn wir hier unsere regelmäßigen Veranstaltungen haben, übernimmt Fabian die Moderation, er ist ein toller Redner. Und das ist etwas, was ich ungerne mache. Da ergänzen wir uns sehr gut. Am Anfang dachten wir, wir müssen Fabian ein wenig schützen und schonen. Aber er hat eine hohe Belastbarkeit. Zum Beispiel wenn hier in kurzer Zeit viele Menschen auf einmal etwas bestellen. Er sollte nicht überlastet, aber auch nicht in Watte gepackt werden. Wir haben die Grenze der Belastbarkeit mit der Zeit herausgefunden.

Gibt es etwas, dass Sie rund um die Einstellung des Mitarbeiters als besonders hilfreich empfunden haben?

Die Verknüpfung von sonderpädagogischem Fachwissen mit der Erfahrung aus der Praxis. Das ist die Kombination. Ich habe viele Jahre mit Menschen mit Förderbedarf gearbeitet, auch ein sogenanntes Trainingshaus geleitet, um sie für den Alltag fit zu machen. Dabei habe ich viel gelernt.

Haben Sie als Arbeitgeber ein bestimmtes Motto, mit dem Sie an Ihre Arbeit herangehen?

Auf einem Backstein draußen steht: ‚Einfach machen‘. Daran habe ich gedacht, als die Idee für das Café entstand. Einfach mal machen und dann schauen, was daraus wird. Ich hatte recht schnell den Namen und das Logo für das Café im Kopf - als ob es so sein sollte. Das ist meine Überzeugung: wenn etwas richtig ist, dann läuft es auch. Ansonsten steht da vorne ein Satz, den ich in Hinblick auf Inklusion auch sehr treffend finde:

If almonds can be milk, you can be anything

(Wenn Mandeln Milch sein können, kannst du alles sein)

Fabian ist dafür ein gutes Beispiel. Ich würde ihn als festen Mitarbeiter sofort einstellen. Und die Möglichkeit dazu gibt es. Arbeitsplätze zu schaffen, soweit wir das können, ist eines unserer Ziele.

Vielen Dank für das Gespräch.

4 Verständnis und Offenheit
Lösungen für den Arbeitsalltag

Für Beschäftigte aus dem Autismus-Spektrum sind vor allem Stabilität und Kontinuität im Arbeitsalltag wichtig, um ihre Kompetenzen voll entfalten und produktiv arbeiten zu können.

Zur Schaffung günstiger Arbeitsbedingungen für Menschen mit Down-Syndrom gibt es eine Reihe von Gestaltungsmaßnahmen, die sich einzeln und kombiniert umsetzen lassen und die in der Regel weder mit hohem Zeit- noch Kostenaufwand verbunden sind. Basis dafür ist ein Arbeitsklima, das auf Offenheit und gegenseitiges Verständnis bei allen am Arbeitsprozess Beteiligten setzt.

Auf den folgenden Seiten stellen wir Ihnen einige dieser organisatorischen, personenzentrierten und technischen Lösungsideen für die betriebliche Praxis vor.

Die größte Unterstützung ist für mich immer noch, wenn man mich versteht und mich so behandelt und sieht, wie ich bin, ohne dass ich groß Dinge erklären muss. Normal halt. (hier ein passendes Zitat bspw. aus der Befragung einfügen)

Zitat Person mit Down-Syndrom, REHADAT-Befragung 2025

4.1 Es geht schon vieles!
Ein Interview mit Roderich Dörner

Roderich Dörner ist HR-Partner Inklusion für die Rewe Markt GmbH. Zuvor war er bereits bei Projekt Router und dem Fachverband IN VIA. Beides sind engagierte Akteure für die berufliche Teilhabe und Inklusion, mit Expertise zu Down-Syndrom.  

Was sind Ihre persönlichen Erfahrungen mit Mitarbeitern mit Down-Syndrom? 

Menschen mit Down-Syndrom sind sehr liebenswerte und beziehungsorientierte Menschen, die oft kommunikationsinteressiert sind. Das sind sehr positive Eigenschaften. Es kann allerdings vorkommen, dass die Grenzen nicht gut erkannt und eingehalten werden. Einige Menschen mit Down-Syndrom mögen Körperkontakt, der sich beispielsweise durch eine Umarmung ausdrücken kann, und das wirkt auf das Gegenüber mitunter befremdlich. Ich erinnere mich an eine Mitarbeiterin in der Gastronomie, die die Kunden zur Begrüßung immer umarmt hat. Später wurde sie zur Lieblingsmitarbeiterin, da die Gäste ihre Herzlichkeit mochten. Aber das musst du erst einmal aushalten (lacht). 

Was für Rahmenbedingen und Unterstützungsmöglichkeiten braucht es, damit die Inklusion von Menschen mit Down-Syndrom gelingen kann? 

Aus meiner Sicht ist das System in Deutschland hervorragend geeignet, um Menschen mit einer Behinderung im Unternehmen Perspektiven zu ermöglichen. Konkret geht das mit einem kompetenten Qualifizierungsträger vor Ort, der die rechtlichen Rahmenbedingungen und Förderstrukturen genau kennt. Eine Schlüsselposition kommt dabei dem Jobcoaching zu. Einem begleitenden Partner, der sehr engagiert und unternehmensorientiert ist und der das Wissen aus einer Werkstatt ins Unternehmen bringt, ohne zu versuchen, es zur Werkstatt umzubauen. Dessen Ziel es ist, den Menschen weiterzuentwickeln und das Team mitzunehmen. 

Das Team mitnehmen, was bedeutet das für Sie? 

Ich würde empfehlen, zunächst eine Teambesprechung abzuhalten, um über die Besonderheiten, die ein Mensch mit Down-Syndrom mitbringt, zu sensibilisieren. Wichtig ist aber auch der 1-zu-1-Kontakt, bei dem der Jobcoach die direkten Kollegen und Vorgesetzten einbezieht. Der Jobcoach sollte dabei selbst aktiv im Arbeitsumfeld mitarbeiten, im Supermarkt die Weste anziehen und Schulter an Schulter sowohl der Person mit Down-Syndrom als auch den Kollegen und Vorgesetzten, die gerade anwesend sind, erklären, was zu tun ist. Das Ganze sollte so wenig pädagogisch wie möglich und so normal wie möglich geschehen, um eine natürliche Integration zu fördern und keine Sonderwelt zu schaffen. 

Welche Herausforderungen sind bei der Einarbeitung zu beachten? 

Die Arbeitsweise ist sehr unterschiedlich und man kann nicht alle über einen Kamm scheren. Wenn jemand das Down-Syndrom hat, können die Auswirkungen sehr unterschiedlich sein. Oft liegt mindestens eine Lern-, wenn nicht sogar eine geistige Behinderung vor, bei der es sehr viel länger dauert, Dinge zu lernen, einzuüben und umzusetzen. Die Herausforderungen liegen in einer niederschwelligen, einfachen und klaren Einarbeitung. Dazu gehört auch, ausreichend Pausen einzubinden, wenn die Konzentration nachlässt. Das Down-Syndrom ist meist deutlich erkennbar, was zu einem Sonderstatus führen kann. Aber genau der sollte vermieden werden. Stattdessen sollte die- oder derjenige ganz normal mitlaufen, ohne die Behinderung überzubetonen. Diese Balance hinzubekommen ist eine große Kunst, glaube ich. Eine entscheidende Rolle spielt hier wiederum der Jobcoach. Hat er das pädagogische Know-How, das für den Umgang mit Menschen mit Down-Syndrom notwendig ist? Betrachtet er die Behinderung nicht nur als schützenswert, sondern ist er auch in der Lage, die Fähigkeiten und Potenziale der Person zu erkennen und zu fördern? Wie stark ist er auf der anderen Seite darin, sich zurückzunehmen und Aufgaben zu übertragen, Anweisungen zu geben und die Person mit Down-Syndrom zu fordern, um Selbstständigkeit und Problemlösungsfähigkeiten zu entwickeln? Fördern und fordern gleichermaßen, das sind für mich die beiden Seiten der Medaille. 

Welche möglichen Schwierigkeiten sehen Sie? 

Manchmal kommt es zu nicht nachvollziehbaren emotionalen Schwankungen, wo das Umfeld dann möglicherweise eine negative Absicht unterstellt. Das ist oft aber gar nicht der Fall, sondern resultiert daraus, dass die Person sich in ihrer eigenen Welt befindet. Außerdem können Ablenkungen auftreten, beispielsweise durch viele Menschen oder auch ein nicht nachvollziehbares Abschotten und Nutzen des Handys. So etwas kann dann den Eindruck erwecken, dass die Person einfach keine Lust hat. Auch hier kann ein begleitender Jobcoach dabei helfen, diese Situationen in den Griff zu bekommen, indem er strukturierte Pausen einführt und damit die Konzentration immer wieder zurückbringt. Gleiches gilt für Überlastung bzw. Überforderung. Vielleicht sagt sich dann der Mensch mit Down-Syndrom: So, ich mach jetzt Pause, fertig! Ich setze mich hier hin und mache gar nichts mehr. Wenn das passiert, ist das in Ordnung, nur muss das Umfeld solch ein Verhalten einordnen können. Das muss man gut planen, weil es ansonsten schnell zu Irritationen führen und das Team belasten kann und dann niemand weiß, wie man damit umgehen soll. Auch das kann in enger Abstimmung mit dem Jobcoach angegangen und immer wieder modifiziert werden. Ich halte es für wichtig, individuell Rücksicht zu nehmen, aber nicht so, dass alle Türen offen bleiben, sonst kann das mit der Integration in den Arbeitsmarkt nicht funktionieren. Es ist ein ständiges Austarieren zwischen Anforderung und Rücksichtnahme. 

Auf der anderen Seite – wo liegen die Potenziale und Fähigkeiten von Menschen mit Down-Syndrom? 

Sie sind oft sehr liebenswerte und freundliche Personen mit einer hohen Serviceorientierung und der Fähigkeit, auf Menschen zuzugehen. Darüber hinaus kann Ihre sichtbare Behinderung dazu beitragen, Hemmschwellen abzubauen und gesellschaftliche Themen ins Unternehmen zu tragen. 

Für welche Berufe oder Arbeitsplätze sind aus Ihrer Sicht Menschen mit Down-Syndrom besonders geeignet? 

Da gibt es vielfältige Möglichkeiten. Im Hotelservice, bei der Gästebetreuung oder im Cafébereich. Beim Einräumen und Sortieren von Regalen sowie bei Verkaufshelfertätigkeiten können sie ebenfalls eine Bereicherung sein. Darüber hinaus in Krankenhäusern, Kindergärten und Seniorenhäusern. Wichtig dabei ist, den richtigen Platz für sie zu finden, da es große Unterschiede bzgl. ihrer Fähigkeiten gibt. Wenn bspw. im Kindergarten ein Kind gewickelt werden muss, wie groß ist das Risiko, kann man da die Verantwortung übergeben? Hier hat es funktioniert. Aber das ist immer vom Einzelfall abhängig. Deshalb kann das Jobcarving sehr hilfreich sein. 

Können Sie Förderstrukturen nennen, die Sie für sinnvoll und hilfreich halten? 

Ein Praktikum während der Zeit in einer Förderschule würde ich gut finden. Das sollte allerdings begleitet werden, denn ein Unternehmen funktioniert einfach anders als eine Schule. Als Begleitung reicht vielleicht eine Arbeitsassistenz, da bin ich nicht sicher. Auf jeden Fall braucht es Unterstützung. Eine weitere Möglichkeit ist die – möglichst lange – Erprobung auf einem Außenarbeitsplatz einer Werkstatt, also einem BiAP oder von einem ‚anderen Leistungsanbieter‘, damit man im Unternehmen weiter wächst. Perspektivisch könnte dann im Anschluss das Budget für Ausbildung zur Anwendung kommen. 

Welche Rolle spielt das Umfeld, die Eltern, Freunde oder eine Peer-Group innerhalb dieser Thematik? 

Eltern spielen eine zentrale Rolle bei der Unterstützung ihrer Kinder, sowohl, was das Fördern als auch die Entwicklung der Selbständigkeit angeht. Für Eltern ist der Zugang zu Informationen wichtig, um zu erfahren, was alles möglich ist. Viele Jahre haben sie sich mit den medizinischen Unterstützungsmöglichkeiten beschäftigt. Hinsichtlich des Arbeitsmarkts stellt sich aber auch die Frage, was rechtlich möglich ist. Was geht alles? Wie können die Möglichkeiten durchgesetzt werden? Wie bahne ich einen Kontakt mit einem Arbeitgeber an? Wir haben sehr wenige Anfragen von Menschen mit Down-Syndrom, die bei uns ein Praktikum machen möchten, das steckt noch in den Kinderschuhen. Es gibt da noch viele Berührungsängste, man muss niederschwellig anfangen, man sollte auch nicht erst beginnen, wenn die Menschen schon lange Zeit in der Werkstatt waren, sondern im Übergang Schule-Beruf sind, um zu schauen, wie die Perspektive aussehen kann. Und dann sollte man aber sich aber auch Gedanken machen, wie das Drumherum organisiert werden kann. Wenn wir Menschen mit einer Behinderung einbinden, die haben faktisch ja doch eine Sonderstellung. Dieser Mensch hat ja nicht die gleichen Möglichkeiten wie ein Mitarbeiter ohne Behinderung und kann nicht so ohne weiteres Freunde kennenlernen, mit Menschen Kontakte aufbauen, was ja eigentlich üblich ist im Arbeitsleben. Das ist ein wichtiges Thema. Sollte man Freizeitangebote bereitstellen, und wenn ja, wie müssen die gestaltet sein? Gibt es auch Gruppen im Unternehmen, die sich vielleicht wie Auszubildende treffen bspw. an einem Stammtisch und gemeinsame Unternehmungen machen? Es gibt noch viel zu tun und trotz all der Grenzen und dem, was nicht geht – es geht schon vieles. Und wie ich es wahrnehme, gibt es auch genügend Bereitschaft in den Unternehmen. Insgesamt steht und fällt alles mit dem Qualifizierungsträger, der diesen Menschen einbindet und begleitet im Unternehmen – mit Unterstützung des Jobcoachings. Das ist der Schlüssel zum Erfolg. 

Vielen Dank für das Gespräch.

 

4.2 Tagsüber im Museum
Ein Interview mit Leonhard Ley

Leonhard Ley ist 29, hat das Down-Syndrom und arbeitet seit 10 Jahren beim Rundfunkmuseum Fürth. Seit 2024 ist er dort als städtischer Mitarbeiter auf dem ersten Arbeitsmarkt festangestellt.

Was machen Sie gerne an freien Tagen?

Ich mache viel, zum Beispiel Improvisationstheater. Ich lese gern und beschäftige mich mit griechischer Mythologie. Ich verbringe Zeit mit Freunden, lese Comics und schaue gerne Serien, manchmal ein bisschen zu viele.

Was ist Ihr Job beim Rundfunkmuseum?

Ich finde die offizielle Stellenbezeichnung „Hilfskraft“ nicht angemessen. Ich sage „Entlastungsmitarbeiter“ oder „Multifunktionsangestellter“. Denn ich werde verschieden eingesetzt. Zum Beispiel in der Bildung und Vermittlung, aber auch für Instagram. Aber ich helfe auch, wo es benötigt wird.

Was sind konkret Ihre Aufgaben?

Ich versuche, meine Kollegen so gut es geht zu entlasten und übernehme Tätigkeiten in der Küche, zum Beispiel Kaffee vorbereiten oder Spülmaschine ein- und ausräumen. Das gehört zu meinen Grundaufgaben neben Lüften und Post holen. Sobald ich morgens den Besprechungsraum gelüftet und Kaffee vorbereitet habe, schau ich erstmal in die Mails, was wichtig ist. Ich mach auch Botengänge, das macht mir großen Spaß. Und ansonsten gebe ich auf Instagram als „Captain Leo“ einen Einblick hinter die Kulissen. (Anm.: Seine Aufgaben variierten in den zehn Jahren, dazu gehörte unter anderem schon Exponate prüfen, Führungen geben oder Kindergeburtstage vorbereiten.)

Welche Aufgaben sind schwieriger als andere?

Ich bin Mitglied im Arbeitskreis Inklusion der Stadt Fürth. Es ist nicht immer leicht, da mitzukommen. Aber ich tu mein Bestes. Meine Kollegen und Kolleginnen helfen mir gelegentlich zu entscheiden, welche Mail wichtiger ist als andere. Die einzige Sache, die ich aufgrund der Behinderung gar nicht hinkriege, ist Gendern.

Was tun Sie bei Problemen, zum Beispiel bei Streit?

Probleme kommen in der Regel auf den Tisch. Ich bin ein sehr direkter Mensch und ich mag es, wenn man mit mir direkt ist. Gerade bei Dingen, die mich betreffen. Das kann man mir ruhig sagen. Das schätze ich sehr.  Für mich verantwortlich sind meine Kollegin Maren und unsere zweite Chefin, die Katrin.

Was hilft Ihnen besonders bei der Arbeit?

Ich habe einen Jobbegleiter (Anm.: von Access, finanziert über das Budget für Arbeit), der mich unterstützt. Das ist eine sehr gute Maßnahme. Die würde ich jedem empfehlen. Er kommt einmal in der Woche vorbei und schaut mir über die Schulter.

Und ich habe eine große Liste mit festen Aufgaben, mein Aufgabenplan. Ich hatte die Idee dazu und habe ihn gemeinsam mit meinen Kolleginnen und meinem Jobbegleiter erstellt. Wenn ich doch etwas vergessen sollte, erinnert mich eine Kollegin.

In den Anfängen hatte ich Hilfe, vor allem von meinen Kolleg*innen. Das ist aber immer weniger geworden. Ich habe einen normalen Arbeitsplatz mit PC und zwei Bildschirmen, das klappt sehr gut. Ich habe keine Hilfsmittel und brauche keine Informationen in leichter Sprache, da ich gerne lese und sehr gut lesen kann.

Was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit am besten?

Ich bin auf dem ersten Arbeitsmarkt, ich bin fest angestellt und werde von der Stadt bezahlt. Das finde ich super. Ich arbeite sehr gerne, vor allem im Museum. Und ich mag meine Kolleg*innen. Ich bin der Witzbold im Team, der auch mal mit innovativen Ideen um die Ecke kommt. Ich habe viel Bürokram zu erledigen, aber das kann ich mit meiner eigenen Art immer spannend gestalten.

Was gefällt Ihnen weniger?

Zurzeit die Post: Das Museum wird gerade neugemacht, deshalb sitzen wir in einem anderen Haus. Leider wissen das nicht alle, die uns Post senden. Daher muss ich einmal die Woche zum alten Briefkasten laufen. Das macht mir mitten im Winter nicht immer Spaß.

Was wünschen Sie sich von Ihrem Arbeitgeber?

Das wäre, wieder ein bisschen kreativer zu arbeiten (Anm.: Das Museum befindet sich im Umbau). Weil ich mir gut Sachen ausdenken kann, und das habe ich in letzter Zeit zu wenig gemacht.  Ich habe gerade noch keine Idee, aber ich bin sicher, mir kommen welche.

Was ist Ihnen an Ihrer Arbeit wichtig?

Sehr viele Menschen mit Down-Syndrom sitzen in der Werkstatt, aber haben viele andere Talente, die weitaus mehr gefördert werden sollten. Das passiert aber nicht, wenn sie immer in Werkstätten sind, wo ihre Talente vielleicht gar nicht wahrgenommen werden.
Ich persönlich habe eine Menge Talente, aber keines wäre gut in einer Behindertenwerkstatt aufgehoben. Ich kann gut vor Menschen reden, ich bin eine Rampensau. Das hat in einer Behindertenwerkstatt nichts zu suchen. Aber im Museum schon, da kann ich vor Menschen reden und das macht Spaß. Abgesehen davon brauche ich Geld, um mir die Comics zu leisten, die ich gern lese.

Haben Sie Erfahrungen mit WfbM?

Wir hatten ein Pflicht-Praktikum in der Schule bei einer Behindertenwerkstatt und es ist mir sehr schwergefallen.

Haben Sie auch schon woanders gearbeitet?

Ich habe verschiedene Praktika gemacht und da viele Dinge ausprobiert. Zum Beispiel in einer Schulküche oder im Altenheim in der Küche und im Büro. Das war alles nicht schlecht, aber hat nicht richtig gepasst. Jetzt weiß ich: Ich bin ein Museumsmensch.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, im Rundfunkmuseum zu arbeiten?

Das war eher Zufall. Ich kannte das Museum von einem Schulausflug und einem Tag der offenen Tür. Als ich den Film „Nachts im Museum” gesehen habe, kam mir zum ersten Mal der Gedanke, dass es da gar nicht langweilig sein muss! Und jetzt arbeite ich schon seit 10 Jahren hier. Ich bin zwar vom Alter her fast der Jüngste, aber von den Dienstjahren beinahe der Älteste im Team.

Wer hat Ihnen bei der Suche nach der Stelle geholfen?

Meine Eltern haben gesehen, dass das Museum einen Praktikanten sucht. Begleitet wurde ich von Access. Das ist ein hiesiger Fachdienst, der im Grunde Menschen mit geistiger oder körperlicher Behinderung in Arbeit vermittelt.

Welche Tipps haben Sie für andere Menschen mit Down-Syndrom? 

Mein Tipp ist: Trau dir was zu! Du musst nicht ewig in der Behindertenwerkstatt sitzen. Informier dich und trau dir was zu!

Vielen Dank für das Gespräch.

4.3 Wie ein kleines Lexikon
3 Fragen an Maren Keß-Hälbig

Maren Keß-Hälbig arbeitet mit Leonhard Ley zusammen im Bereich Bildung und Vermittlung des Rundfunkmuseums Fürth. Sie ist eine von zwei zuständigen Vertrauenspersonen für ihn bei der Arbeit.

Was kann Leonhard besonders gut, vielleicht besser als Sie? 

Dinge auf den Punkt bringen, schnell erkennen, wenn jemand um den heißen Brei herumredet und dann Klarheit einfordern. Das ist oft hilfreich, um einen Vorgang oder eine Idee voranzubringen. Außerdem kann er sehr gut frei und selbstbewusst vor Publikum sprechen, zum Beispiel bei Führungen oder wenn wir Filmaufnahmen für unsere Social Media-Kanäle machen. Da kommt sein Improvisationstalent durch und er hat immer tolle Einfälle. Darüber hinaus ist Leonhard manchmal wie ein kleines Lexikon, da er sich zu Themen, wie z.B. der Rundfunk- und Musikgeschichte oder der griechischen Mythologie, viel Wissen angeeignet hat, das er jederzeit abrufen kann.

Stellen Sie sich vor, Leonhard würde in ein anderes Team wechseln. Welche Tipps würden Sie ihm mit auf den Weg geben? Was würde Ihnen fehlen?

Leonhard würde ich mitgeben, weiterhin auf seine Stäken zu vertrauen und Veränderungen gegenüber aufgeschlossen zu bleiben. Wenn ich auch dem neuen Team einen Tipp geben dürfte, dann würde er lauten, Abweichungen vom „Skript“ mit Offenheit zu begegnen, denn sie sind meistens gewinnbringend.
Am meisten fehlen würden sein Ideenreichtum und seine humorvolle, fröhliche Art.

Was war das größte Aha-Erlebnis, seit Sie mit Leonhard arbeiten? Was hat Ihre Zusammenarbeit verändert?Herauszufinden, dass unsere Zusammenarbeit am einfachsten gelingt, wenn die Arbeitseinheiten gut dosiert sind und ausreichend Möglichkeiten bieten, um Leonhards kreativen Ausbrüchen und Gedankengängen ab und an einfach mal freien Lauf lassen zu können – dadurch werden eher weniger spannende Tätigkeiten interessanter und für komplexere Fragestellungen eröffnen sich oft neue Perspektiven und alternative Wege, um sie zu lösen.

 

Leonhards Weg ins Arbeitsleben

Leonhard Ley hat mithilfe eines persönlichen Budgets einen betrieblichen Berufsbildungsbereich beim Fachdienst „Access - Inklusion im Arbeitsleben“ absolviert. Beinahe die gesamte Zeit – immerhin fast zwei Jahre – wird er im Rundfunkmuseum qualifiziert. Begleitet wird er dabei von den Jobcoaches von Access.  Der Fachdienst im Großraum Nürnberg vermittelt Menschen mit Behinderung in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Er begleitet und berät auch das Museumsteam. Leonhard bekommt für neue Aufgaben Jobcoachings und bei Bedarf bietet Access Team-Workshops an.

Auch nach dem Praktikum findet sich ein Weg, wie er im Rundfunkmuseum bleiben kann: Er wechselt auf einen Werkstatt-Außenarbeitsplatz im Museum. Inzwischen ist daraus eine Festanstellung geworden, ermöglicht durch das Budget für Arbeit. Damit erhält sein Arbeitgeber einen Lohnkostenzuschuss und er selbst personelle Unterstützung für die Begleitung und Weiterbildung am Arbeitsplatz.

4.4 Arbeit bedarfsgerecht gestalten

Ziel der bedarfsgerechten Arbeitsgestaltung ist es, Beeinträchtigungen auszugleichen, die Arbeitsausführung zu unterstützen und Gesundheitsgefahren zu reduzieren. In der Praxis hat sich das Vorgehen nach bestimmten, sich ergänzenden Handlungsmaßnahmen nach dem tops-Prinzip bewährt. Im Mittelpunkt steht die selbstständige und unabhängige Teilhabe am Arbeitsleben.

Maßnahmen nach REHADAT-tops*:

  • technisch: Zunächst den Einsatz technischer Lösungen prüfen.
  • organisatorisch: Falls erforderlich, dann begleitende, ergänzende oder rein organisatorische Maßnahmen auswählen.
  • personenzentriert: Sind für diese Maßnahmen zusätzliche Kompetenzen erforderlich, kann eine maßgeschneiderte Qualifizierung helfen. Werden Beschäftigte personenzentriert unterstützt, wie zum Beispiel bei einer Arbeitsassistenz, wird eine solche personenzentrierte Maßnahme als „nachrangig“ eingestuft.
  • sozial: Alle Lösungsansätze werden von Beginn an durch soziale Maßnahmen begleitet, die zu einem unterstützenden, offenen und kommunikativen Team- und Betriebsklima beitragen.

* Das aus der Praxis abgeleitete Prinzip „REHADAT-tops“ bezieht sich ausschließlich auf den Einsatz von Maßnahmen im Bereich der beruflichen Rehabilitation zur behinderungsgerechten Arbeitsgestaltung. Es ist daher nicht zu verwechseln mit dem ähnlich lautenden TOP-Prinzip (technische, organisatorische, personenbezogene Maßnahmen) im Arbeitsschutz.

Symbolgrafik für REHADAT-tops: Vier Bausteine für technische, organisatorische, personenzentrierte (Qualifizierung und Unterstützung) und soziale Maßnahmen fügen sich zusammen. Zwischen allen vier Bausteinen gibt es Pfeile, um deren Wechselwirkungen darzustellen. REHADAT-tops: technische, organisatorische, personenzentrierte und soziale Maßnahmen zur behinderungsgerechten Arbeitsgestaltung einbeziehen

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4.5 Arbeit technisch gestalten
Hilfsmittel und technische Arbeitshilfen

Hilfsmittel und technische Arbeitshilfen sind wichtige technische Komponenten einer behinderungsgerechten Arbeitsgestaltung.

Beruflich eingesetzte Hilfsmittel sind Medizinprodukte, die am Arbeitsplatz persönlich genutzt oder getragen werden. Dies können zum Beispiel Kommunikations- oder Mobilitätshilfen sein. Technische Arbeitshilfen decken dagegen ein breiteres Spektrum ab und umfassen grundsätzlich alle behinderungsgerechten Sonderanfertigungen oder handelsüblichen Produkte, sofern sie die Arbeitsfähigkeit unterstützen und für die Arbeitsausführung erforderlich sind. Beispiele sind Hard- und Software, Maschinen, Werkzeuge oder behinderungsgerechte Fahrzeugtechnik.

Hilfsmittel bei Down-Syndrom

Hilfen für die zeitliche und räumliche Orientierung

Wenn es Beschäftigten schwerfällt, ihre Aufgaben zeitlich zu strukturieren, unterstützen beispielsweise elektronische Terminkalender mit Erinnerungsfunktion oder Bildern sowie Kurzzeitmesser (z. B. Time Timer). Zur besseren räumlichen Wahrnehmung und Orientierung dienen akustische und visuelle Anzeigegeräte oder die Kennzeichnung von Räumen und Gegenständen (wie Beschriftungen, Symbole zu den Raumfunktionen, Bodenmarkierungen, Gebäudepläne).

Foto eines Kurzzeitmessers (bis zu 1 Stunde)

Bild: Kurzzeitmesser

Apps zum Thema Downsyndrom

Im Portal REHADAT-HIlfsmittel ist eine App-Suche für IOS und Android integriert. Wenn Sie beispielsweise dort den Suchbegriff „Down-Syndrom“ eingeben und das entsprechende Betriebssystem auswählen, erhalten Sie dazu alle Apps aus den Stores.

Die psychische Gefährdung beurteilen

Für technische Hilfen, die zur Ausübung einer bestimmten beruflichen Tätigkeit und für die behinderungsgerechte Arbeitsgestaltung erforderlich sind, zahlen die Reha-Träger (z. B. Rentenversicherung, Agentur für Arbeit, Unfallversicherung) Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 49 SGB IX). Die Integrationsämter fördern im Rahmen der Begleitenden Hilfe im Arbeitsleben (§ 185 SGB IX). Den Antrag auf eine Förderleistung können Beschäftigte und Unternehmen bei jedem Leistungsträger stellen. Diese sind verpflichtet, innerhalb einer bestimmten Frist die Zuständigkeit zu klären und über die Leistung zu entscheiden (§ 14 SGB IX).

Kostenlose Beratung zu den Fördermöglichkeiten für die behinderungsgerechte Arbeitsgestaltung bieten die Reha-Beratungsteams der verschiedenen Reha-Träger, der Arbeitgeberservice der Agentur für Arbeit sowie die Technischen Beratungsdienste der Agentur für Arbeit und der Integrationsämter.

4.6 Arbeit organisatorisch gestalten

Unabhängig von der Berufssparte befriedigen klare und stabile Arbeitsverhältnisse das Bedürfnis von Erwerbstätigen mit Down-Syndrom nach Sicherheit, Vertrautheit und Vorhersehbarkeit. Hilfreich sind deshalb vor allem organisatorische und personenzentrierte Unterstützungsmaßnahmen. Baulich-technische Anpassungen kommen seltener infrage.

Die hilfreichsten Maßnahmen sind für mich variable Arbeitszeiten, berechenbare Tätigkeiten, berechenbarer Rückzugsort und entlastende Gespräche, wenn zu viel im Kopf ist. (Passendes Zitat einfügen)

Zitat Person mit DS, REHADAT-Befragung 2025

Arbeitsinhalte vermitteln

Menschen mit Down-Syndrom benötigen in besonderem Maße klare Arbeitsanweisungen und Beschreibungen ihrer Arbeitsaufgaben. Bei der Vermittlung unterstützen in erster Linie verständnisvolle Vorgesetzte sowie Kolleginnen oder Kollegen im unmittelbaren Umfeld. Sinnvoll ist es, schriftlich über Aufgaben zu informieren, eindeutige Ansagen zu machen und auf Redewendungen, doppeldeutige und ironische Aussagen zu verzichten (Quelle: Bspw. IC). Als besonders hilfreich bei der Einweisung in Arbeitsaufgaben haben sich in der Praxis die Benennung einer festen Ansprechperson im Betrieb erwiesen und die Unterstützung durch externes Job-Coaching (siehe Abschnitt „Personelle Unterstützung“).

Arbeitsabläufe strukturieren

Ziel von Strukturierungsmaßnahmen ist es, stabile Rahmenbedingungen zu schaffen, die Menschen mit Down-Syndrom vor „Stressfallen“ und Situationen sozialer Überforderung bewahren. Wichtige förderliche Voraussetzungen sind beispielsweise, Arbeit ohne Zeitdruck im eigenen Tempo zu ermöglichen, Arbeitsaufträge und Ablaufpläne schriftlich festzuhalten, Prioritäten für die Erledigung von Aufgaben zu setzen und Arbeitsabläufe ohne zu viel Multitasking und Unterbrechungen – vor allem durch Telefonate – einzurichten. Da es beim sozialen Umgang mit Gruppen oder in Small-Talk-Situationen für Beschäftigte mit Down-Syndrom schnell zu Belastungen kommt, sollte die Teilnahme an Betriebsausflügen, Feiern oder gemeinsamen Essen in der Kantine freigestellt werden. Das Angebot eines Rückzugsortes für Pausen und Entspannung ist ebenfalls hilfreich zur Vermeidung von Stress (Quelle: passende Quelle einfügen).

Umgebungsreize reduzieren

Menschen mit Down-Syndrom reagieren sensibler auf spezielle Geräusche, Gerüche, Farben, Bewegungen oder Temperaturen und sind im Einzelfall auf einen reizarmen Arbeitsplatz angewiesen. Unruhige Großraumbüros und Arbeitsplätze mit Durchgangs- und Publikumsverkehr sollten daher vermieden werden. Günstig sind Einzel- oder Zweiergruppenarbeitsplätze mit der Möglichkeit, Türen und Fenster zu schließen, um akustische und optische Reize zu minimieren. Als sehr entlastend empfinden Menschen mit Down-Syndrom das Angebot, bei Bedarf im Homeoffice zu arbeiten sowie telefonische Kommunikation zugunsten von schriftlichen Kontakten einschränken zu dürfen (Quelle: Quelle einfügen).

4.7 Arbeit personenzentriert gestalten

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Jobcoaching

Jobcoaching am Arbeitsplatz (auch: „Betriebliches Arbeitstraining“) ist die Bezeichnung für ein betriebsintegriertes Arbeitstraining, das direkt am Praktikums-, Qualifizierungs-, Ausbildungs-/Umschulungs- oder Arbeitsplatz stattfindet und von externen Fachkräften, den sogenannten „Jobcoaches“, durchgeführt wird. Jobcoaching ist speziell auf die gecoachte Person und ihren Arbeitsplatz zugeschnitten.

Das Leistungsangebot richtet sich an sozialversicherungspflichtig beschäftigte Menschen mit Behinderungen oder gesundheitlichen Beeinträchtigungen mit besonderem Unterstützungsbedarf am Arbeitsplatz und an ihre Arbeitgebenden, die daran interessiert sind, ein Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis entweder anzubahnen oder zu erhalten.

Im Falle von behinderungsbedingten Problemen oder Konflikten am Arbeitsplatz ergibt sich das Jobcoaching häufig durch Initiative der Beschäftigten oder Vorgesetzten selbst oder aber im Beratungsgespräch mit beispielsweise der Schwerbehindertenvertretung, dem betriebsärztlichen Dienst oder dem Inklusionsamt/Integrationsfachdienst.

Anlässe für ein Jobcoaching sind zum Beispiel der Wiedereinstieg nach längerer Arbeitsunfähigkeit, veränderte Aufgaben und neue Arbeitsanforderungen oder behinderungsbedingte Leistungs- und Kommunikationsprobleme.

Das Jobcoaching dauert durchschnittlich sechs bis acht Monate. Während dieser Zeit kommt ein Jobcoach in der Regel mehrfach wöchentlich in den Betrieb, vermittelt arbeitsrelevante Kenntnisse und Fertigkeiten und fördert das selbstständige Arbeiten der gecoachten Person.

Die Kosten eines Jobcoachings können als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben von den Rehabilitationsträgern oder als begleitende Hilfe im Arbeitsleben von den Integrationsämtern/Inklusionsämtern finanziert werden.

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Job Carving

Job-Carving (wörtlich: „eine Arbeitsstelle schnitzen“) ist ein inklusiver Ansatz für Unternehmen. Darunter versteht man die innerbetriebliche Suche nach meist einfachen Einzeltätigkeiten, die zu einem neuen, für einen Menschen mit Behinderungen geeigneten Jobprofil umgeschichtet und gebündelt werden. Der Prozess wird von einer Fachkraft mit arbeitsanalytischer Expertise, zum Beispiel einem Jobcoach, begleitet.

Im Ergebnis übt der Mensch mit Behinderung eine Tätigkeit aus, die genau auf seine Fähigkeiten zugeschnitten ist. Für das Unternehmen hat dies den Vorteil, dass Betriebsabläufe unterstützt und andere Beschäftigte teilweise von Routinearbeiten entlastet werden, um sich auf neue Aufgaben oder Kerntätigkeiten konzentrieren zu können.

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Partner-/Mentorenmodell

Beim „Partnermodell” oder „Mentorenmodell“ unterstützen Mentorinnen oder Mentoren Beschäftigte, die neu einsteigen oder wieder einsteigen wollen, fachlich bei der Einarbeitung oder beim Eingliederungsprozess. Die Aufgabe kann beispielsweise eine erfahrene und verständnisvolle Person aus dem Kreis der Kolleginnen und Kollegen übernehmen. Bei Bedarf stehen Mentorinnen und Mentoren auch bei persönlichen Fragen und Konflikten zur Verfügung. Verschiedene Bildungsträger bieten entsprechende Schulungen in den Unternehmen an.

Vorteile des Mentorenmodells:
  • Die Anforderungen an den Arbeitsplatz werden schnell transparent und können besprochen werden.
  • Die Qualifizierung kann passgenau erfolgen.
  • Beschäftigte mit Behinderungen haben eine konkrete Vertrauensperson an ihrer Seite.
  • Erwartungen und Vorbehalte können frühzeitig geklärt werden.
  • Das Unternehmen erhält eine schnelle und verlässliche Rückmeldung.

4.8 Arbeit sozial gestalten

Die Auswirkungen des Down-Syndroms beeinflussen den Arbeitsalltag und die Zusammenarbeit am Arbeitsplatz. Sowohl die Person mit Down-Syndrom selbst als auch Kolleginnen und Kollegen und Vorgesetzte können jedoch zu einem möglichst barrierefreien Arbeitsumfeld beitragen.

Ich hatte das Riesenglück, Leute gehabt zu haben, die immer gesagt haben: „Wenn du irgendwie etwas an Hilfe brauchst, sage mir Bescheid … und dann gucken wir, welche Lösung wir finden. (eigenes Zitat einfügen)

Zitat Person mit Down-Syndrom (Quelle: REHADAT-Befragung 2025)

Führungs- und Teamkultur

Inklusive Unternehmenskultur

Ob Inklusion in einem Unternehmen gelingen kann, hängt wesentlich von der Einstellung aller Beteiligten und ihrer Bereitschaft zur Veränderung ab. Insbesondere die Führungskraft spielt hier eine wichtige Rolle, da sie als Vorbild für das gesamte Team dient und die Zusammenarbeit aktiv gestaltet. Akzeptanz, Fairness und gegenseitige Hilfsbereitschaft sind dabei entscheidende Faktoren.

Die Besonderheiten bei der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen müssen von der Führungskraft berücksichtigt werden, damit diese ihr Leistungspotenzial voll ausschöpfen können und die Integration in das Team gelingt.

Bei Schwierigkeiten am Arbeitsplatz ist es ihre Aufgabe, mit den betroffenen Beschäftigten zu sprechen und Hilfe anzubieten. Dies kann zum Beispiel in Form von Arbeitszeitanpassungen, technischen Hilfsmitteln oder regelmäßigen Austauschgesprächen geschehen.

 

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Sensibilisierung des Arbeitsumfeldes

Für ein funktionierendes Miteinander am Arbeitsplatz ist es wichtig zu wissen, wie das Down-Syndrom die Zusammenarbeit beeinflusst. Die Sensibilisierung aller Beteiligten für die Bedürfnisse des Gegenübers hilft dabei, angemessen miteinander umzugehen und kann unnötigen Missverständnissen oder Konflikten entgegenwirken.

Einige Zeit später habe ich dann eine Teamsitzung für die Belegschaft angeregt. Und da ist es den Kollegen wie Schuppen von den Augen gefallen, dass die betroffene Person Schwierigkeiten hat, sich zu konzentrieren, anstatt einfach die Arbeit zu verweigern. (eigenes Zitat einfügen)

Zitat einer Person aus dem Kontext Beratung (Quelle: eigene Quelle einfügen)

Eine Sensibilisierung kann bspw. in Teamsitzungen erfolgen, mit dem Ziel, Unsicherheiten unter Kollegen und Kolleginnen abzubauen und den natürlichen Umgang mit einem Mitarbeitenden mit Down-Syndrom zu verbessern. 

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Arbeit kommunikativ gestalten

Eine gelingende Kommunikation ist die Basis einer guten Zusammenarbeit. Einige Aspekte sind dabei von Bedeutung, die nicht immer offensichtlich sind.

Tipps zur Kommunikation
  • einfache, leichte Sprache
  • Visualisierung 
  • ...
In der Gruppe

Besonders in Gruppen kann die Kommunikation schnell unübersichtlich werden. Die Redner und Rednerinnen wechseln schnell, es wird oft durcheinandergeredet und nicht immer kann die sprechende Person gut gesehen werden. Das kann der Person mit Down-Syndrom das Zuhören und Verstehen erschweren.

Auf Betriebsveranstaltungen, wie zum Beispiel der Weihnachtsfeier, bekomme ich nicht viel mit. (eigenes Zitat)

Zitat einer Person mit Down-Syndrom (Quelle: eigene Quelle)

Praxistipp – Klare Kommunikationsregeln helfen!
  • das Thema benennen
  • langsam sprechen
  • nachfragen, ob die Person das Gesagte verstanden hat
  • ...
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4.9 Betriebliche Prävention

Ziel der betrieblichen Prävention ist es, gesundheitliche Probleme und damit verbundene Schwierigkeiten am Arbeitsplatz zu vermeiden. Alle Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sind gesetzlich zur Prävention verpflichtet (§ 167 Abs. 1 SGB IX Prävention).

Bei Schwierigkeiten, die das Beschäftigungsverhältnis schwerbehinderter Menschen gefährden können, ist es sinnvoll, die Schwerbehindertenvertretung, den Betriebs- oder Personalrat und das Integrationsamt/Inklusionsamt frühzeitig einzubeziehen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Ziel aller präventiven Maßnahmen sollte es sein, das Beschäftigungsverhältnis zu sichern und den Verlust des Arbeitsplatzes zu verhindern.

Die beiden wichtigsten Instrumente der Prävention nach dem Schwerbehindertenrecht sind die Inklusionsvereinbarung und das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM).

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4.10 Fahrplan für die Rekrutierung und Einstellung

Schritt 1
Fachkräfte finden

Unternehmen wissen häufig nicht, wo man Menschen mit Down-Syndrom findet, die als potenzielle Auszubildende oder Fachkräfte in Frage kommen.

Folgende Einrichtungen können Unternehmen dabei unterstützen, qualifizierte Personen mit Down-Syndrom gezielt anzusprechen:

  • Agentur für Arbeit und andere Rehabilitationsträger
  • Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit (Vermittlung schwerbehinderter Akademiker und Akademikerinnen)
  • Integrationsämter/​Inklusionsämter
  • Verbände (z. B. Bundesverband autismus Deutschland e. V.)
  • Spezielle Dienstleister (unter anderem auticon GmbH, LEWAC gGmbH, Integrationszentrum für Menschen mit Autismus)
  • Berufsbildungswerke
  • Berufsförderungswerke

Schritt 2 ⬤⬤
Auswahlprozess und Bewerbungsgespräch

Eine Anregung für die Auswahl einer geeigneten Fachkraft bieten die folgenden Schritte:

  • Ersten Kontakt über Internet oder E-Mail herstellen, da Menschen mit Down-Syndrom erfahrungsgemäß eine große Affinität zu digitalen Medien haben.
  • Im Anschluss einen Fragebogen zu den Fähigkeiten und den besonderen Interessen versenden, um herauszufinden, ob die Person zum gewünschten Jobprofil passt.
  • Einladung zu einem Test (z. B. Teile zusammenbauen, siehe Test der LEGO Mindstorms), um die Arbeitsweise etwa bei der Detailarbeit beurteilen zu können.
Was ist im Vorstellungsgespräch zu beachten?

Ein Vorstellungsgespräch mit einer Person mit Down-Syndrom kann etwas ungewöhnlich verlaufen. Eine ausdruckslose Mimik, fehlender Blickkontakt, längere Pausen auf Fragen oder ein langer Redefluss sind einige Eigentümlichkeiten, die auftreten können. Aufgrund von Missverständnissen und ihrer häufig mangelnden Fähigkeit, sich erfolgreich darzustellen, scheitern Menschen mit Down-Syndrom nicht selten bereits im Bewerbungsgespräch.

Ist die Frage nach der Schwerbehinderung erlaubt?
  • Im Bewerbungsgespräch darf der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin grundsätzlich nur nach der Schwerbehinderung fragen, wenn sich eine Behinderung auf die Arbeitsfähigkeit und die Berufsausübung auswirken könnte. Dann muss die Bewerberin oder der Bewerber sogar ohne Nachfrage darüber informieren.
  • Im bestehenden Arbeitsverhältnis ist die Frage nach einer Schwerbehinderung nach Ablauf von sechs Monaten (Probezeit) zulässig.
  • Davon abgesehen kann die Arbeitskraft mit Schwerbehinderung jederzeit selbst entscheiden, wann und wem sie die Behinderung mitteilen möchte.

Schritt 3 ⬤⬤⬤
Praktikum, Probebeschäftigung oder Einstiegsqualifizierung

  • Mit einem Praktikum (z. B. sechs Wochen) oder einer bis zu dreimonatigen Probebeschäftigung, die von der Agentur für Arbeit gefördert wird, können noch skeptische Unternehmen Bewerberinnen und Bewerber im Betriebsalltag ohne Risiko und finanzielle Belastung kennenlernen. Damit lässt sich auch herausfinden, was die Person individuell benötigt, um sich wohlzufühlen.
  • Die Einstiegsqualifizierung ist ein sozialversicherungspflichtiges Langzeitpraktikum von sechs bis maximal zwölf Monaten und richtet sich an Jugendliche mit Förderbedarf, die im Regelfall unter 25 Jahre alt sind und noch keine Ausbildungsstelle gefunden haben.

Schritt 4 ⬤⬤⬤⬤
Externe Unterstützung und Förderleistung beantragen

  • Job-Coach oder andere Fachdienste (IFD) zur Unterstützung einschalten.
  • Eventuell Technischen Beratungsdienst (z. B. Agentur für Arbeit, Integrationsamt/​Inklusionsamt) für die behinderungsgerechte Arbeitsplatzanpassung kontaktieren.

Wichtig: Alle Förderleistungen (Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beziehungsweise Begleitende Hilfe im Arbeitsleben) immer vor Beginn der Maßnahme beantragen und die Genehmigung abwarten.

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Tipps für Arbeitgeber, die Menschen mit Down-Syndrom einstellen möchten:

  • Nicht den 5. Vor dem 1. Schritt erklären, der Reihe nach
  • Zeit lassen, nicht zu viel auf einmal erwarten
  • Aufgaben kleinteilig erklären
  • einzelne Arbeitsschritte immer wieder erklären und Zeit geben, sie einüben zu lassen
  • Hilfe suchen und Unterstützungsangebote wahrnehmen
  • Offen sein und sich über Down-Syndrom-typische Verhaltensweisen informieren
  • Mitarbeitende mit ins Boot holen, über das Down-Syndrom und mögliche Verhaltensweisen aufklären

Was hilft, damit die berufliche Teilhabe von Menschen mit Down-Syndrom gelingen kann?

  • Personelle Unterstützung, ob in Form von Jobcoaching (ab Tag 1 möglich) oder eines Kollegen/einer Kollegin, die die betroffene Person gerade zu Anfang als Vertrauensperson/Ansprechperson eng begleitet und anleitet
  • Wiederkehrende Tätigkeit, kleinschrittig erklärt, immer wieder erklären
  • Aufgaben evtl. abgeben (Stichwort “Jobcarving”)
  • „fähigkeitsgerechter Arbeitsplatz“ kann unterschiedlich aussehen: vor allem leichte Sprache, z.B. für Arbeitsanweisungen und Erklärungen wichtig
  • Ein verständnisvolles Arbeitsumfeld, Offenheit der anderen Personen
  • Teilzeit- und flexible Arbeitsmodelle

5 Dafür hole ich mir Unterstützung!
Förderung und Beratung

Das Sozialrecht hat umfangreiche Förder- und Beratungsleistungen für Unternehmen sowie Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen geschaffen, um die berufliche Teilhabe und Inklusion zu unterstützen.

5.1 Welche Förderung gibt es?

Für Menschen mit Behinderungen und ihre Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber gibt es verschiedene Förderleistungen, um berufliche Teilhabe zu ermöglichen oder ein Beschäftigungsverhältnis zu sichern. Dabei handelt es sich sowohl um finanzielle Hilfen und Zuschüsse als auch um Beratungsleistungen oder Bildungs- und Unterstützungsmaßnahmen.

Förderleistungen können, abhängig vom jeweiligen Einzelfall, für alle Phasen der beruflichen Teilhabe beantragt werden:

  • zur beruflichen Orientierung oder Umorientierung,
  • zur Aus- und Weiterbildung,
  • im Arbeitsleben,
  • zur Wiedereingliederung ins Arbeitsleben.

Zu den Leistungen gehören beispielsweise:

  • Beratung durch Fachstellen zu allen Aspekten beruflicher Teilhabe, zum Beispiel Teilhabeberatungsstellen (EUTB), Einheitliche Ansprechstellen für Arbeitgeber (EAA), Integrationsfachdienste (IFD).
  • Hilfen zum Erreichen von Schul- und Ausbildungsabschlüssen.
  • Hilfen zur Erlangung eines Ausbildungs- oder Arbeitsplatzes.
  • Zuschüsse für Ausbildungs-, Umschulungs- und Qualifizierungsmaßnahmen.
  • Lohnkostenzuschüsse bei Probebeschäftigung, Ausbildung, Neueinstellung und zur Beschäftigungssicherung.
  • Zuschüsse für Hilfsmittel am Arbeitsplatz.
  • Zuschüsse für eine behinderungsgerechte Arbeitsplatzgestaltung.
  • Zuschüsse für die Neuschaffung von Arbeitsplätzen.
  • Assistenzleistungen und Begleitung am Arbeitsplatz.
  • Unterstützung bei Präventionsmaßnahmen.
  • Hilfe bei Konflikten am Arbeitsplatz.

Der überwiegende Teil der Förderleistungen wird im gesetzlichen Rahmen der „Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben“ erbracht (§§ 49, 50 SGB IX). Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben können Beschäftigte mit Behinderungen oder drohender Behinderung sowie Unternehmen bei den Rehabilitationsträgern beantragen.

Im Falle einer Schwerbehinderung oder Gleichstellung fördert das Integrationsamt/Inklusionsamt nachrangig im Rahmen der „Begleitenden Hilfe im Arbeitsleben“ aus Mitteln der Ausgleichsabgabe (§ 185 SGB IX) .

(Stand: September 2024)

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5.2 Wer hilft?

Ansprechstellen innerhalb des Unternehmens zu Fragen der beruflichen Teilhabe und Arbeitsplatzsicherung sind – je nach Größe und Ausrichtung des Betriebs – die betrieblichen Interessenvertretungen und Akteurinnen und Akteure. Dazu gehören Schwerbehindertenvertretungen, Inklusionsbeauftragte, Betriebs- oder Personalräte, Inklusionsteams, arbeits- und betriebsmedizinische Fachkräfte.

Daneben unterstützen externe Institutionen und Fachstellen Betriebe rund um die Neueinstellung, Ausbildung und Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen und Erkrankungen.

Externe Institutionen und Fachstellen

  • Einheitliche Ansprechstellen für Arbeitgeber (EAA): Beratungsstellen mit Lotsenfunktion
  • Agentur für Arbeit: Beratung, Gewährung von Lohnkostenzuschüssen und Leistungen zur beruflichen Teilhabe, Vermittlung von Fachkräften, Hilfe bei der behinderungsgerechten Arbeitsplatzgestaltung
  • Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB): Beratung für Menschen mit und ohne Behinderungen, die Unterstützung für ihre Teilhabe benötigen
  • Integrationsämter/​Inklusionsämter: (nur im Falle von Schwerbehinderung und Gleichstellung) Beratung, Gewährung von Zuschüssen und Leistungen zur beruflichen Teilhabe und zur Arbeitsplatzsicherung, Hilfe bei der behinderungsgerechten Arbeitsplatzgestaltung, Unterstützung bei der Prävention und beim Betrieblichen Eingliederungsmanagement
  • Integrationsfachdienste (IFD): Beratung, Begleitung am Arbeitsplatz zur Festigung oder Sicherung eines Arbeitsverhältnisses, Hilfe bei Konflikten, teils Vermittlung von Fachkräften, Hilfe bei Wiedereingliederung
  • Inklusionsberatung der Kammern: Beratung zu Möglichkeiten und Rahmenbedingungen der Beschäftigung und Inklusion von Menschen mit Behinderungen für Betriebe des jeweiligen Kammerbezirks
  • Ansprechstellen der Rehabilitationsträger: Unterstützung bei der frühzeitigen Erkennung eines Rehabilitationsbedarfs, Hilfe bei der Antragstellung
  • Betriebsnahe Beratungsstellen: je nach Ausrichtung: Beratung, Unterstützung bei Konflikten, Hilfe bei Wiedereingliederung, Vermittlung von Fachkräften, Job-Coaching, Unterstützung bei der Prävention und beim Betrieblichen Eingliederungsmanagement

(Stand: September 2024)

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6 Ich hätte noch Fragen
Weiterführende Informationen

6.1 Weiterführende Adressen

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6.2 Literaturverzeichnis

  • [1] autismus Deutschland e.V. (2024):Elternratgeber Autismus-Spektrum-Störungen.2. Auflage, Hamburg. (05.02.2025)rehadat.link/elternrat (PDF)
  • [2] Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) (2018):Schwer angesagt: Wie eine Schülerin mit Down-Syndrom eine Debatte über den Schwerbehindertenausweis auslöste.ZB Behinderung & Beruf, 2018(03), 8. (28.05.2025)rehadat.link/dstest (PDF)
  • [3] Bundesarbeitsgemeinschaft ambulante berufliche Rehabilitation (BAG abR) e.V. (2018):„Wir sind neugierig und interessiert.“ Interview mit Bernd Kulgemeyer.Wirtschaft und Inklusion, 2018(4), 7–8. (09.09.2024)rehadat.link/litautneug (PDF)

Impressum

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Wie sich die berufliche Teilhabe von Menschen mit Down-Syndrom gestalten lässt
REHADAT-Wissen, Ausgabe 17

Herausgeber

© 2025 Institut der deutschen Wirtschaft Köln e. V.
REHADAT
Postfach 10 19 42, 50459 Köln
Konrad-Adenauer-Ufer 21, 50668 Köln
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iwkoeln.de

Autorin & Autor

Johanna M. Offer, Frank Tomaszewski

Fachberatung

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Bilder

Die Urheberrechte der nachfolgend genannten Personen und Firmen, die entsprechende Nutzungsrechte für die Verwendung der Bilder eingeräumt haben, sind berücksichtigt:

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REHADAT-Wissen

Die Reihe REHADAT-Wissen wird von REHADAT, dem zentralen unabhängigen Informationsangebot zur beruflichen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, erstellt. REHADAT ist ein Projekt des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln e. V., gefördert durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) aus dem Ausgleichsfonds.

Wir danken der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), die den Druck dieser Broschüre ermöglicht hat.

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Zitiervorschlag

REHADAT (2025): Lorem ipsum. Wie sich die berufliche Teilhabe von Menschen mit Down-Syndrom gestalten lässt. (=REHADAT-Wissen, Ausgabe 17). Köln. Online abrufbar unter: Link [Abrufdatum].